Über eine Million junge Menschen sind Ende Juli und Anfang August zum Weltjugendtreffen in Rom zusammengekommen. Wegen der Veranstaltung im Rahmen des aktuellen Heiligen Jahres machte sich auch Pier Giorgio Frassati auf die Reise von Turin in die Ewige Stadt. Das Besondere daran: Frassati ist vor hundert Jahren gestorben. Es waren seine sterblichen Überreste, die von ihrem Grab im Turiner Dom für die Dauer des Jugendtreffens in die Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom verlegt wurden. Dort zogen sie viele junge Menschen an, die vor dem schlichten Holzsarg Frassatis beteten.
Ein Zitat des jungen Mannes, der mit 24 Jahren starb, schmückte den Sargdeckel: "Verso l'alto " – "In die Höhe" war dort in der Handschrift Frassatis zu lesen. Nach oben zu streben, steht wie eine Überschrift über dem Leben des jungen Italieners, der am Sonntag von Papst Leo heiliggesprochen wird. "In die Höhe" wollte er nicht nur, weil er leidenschaftlicher Bergsteiger war, sondern weil er sein Leben radikal an seinem christlichen Glauben ausrichtete.
"Er zeigt, dass Heilige nicht altbacken sind, sondern cool"
Nach Ansicht von Kai Weiß ist Frassati daher ein idealer Patron für die Jugend. "Er zeigt, dass Heilige nicht altbacken sind, sondern cool", sagt der aus Regensburg stammende Theologiestudent, der seit vier Jahren in den USA lebt. Weiß ist ein Frassati-Fan und hat deshalb eine Internetseite mit Informationen zum Leben des jungen Italieners ins Leben gerufen. "Hier in den Vereinigten Staaten ist Frassati unter den katholischen Jugendlichen sehr bekannt, in Deutschland kennt ihn kaum jemand – das wollte ich ändern", sagt Weiß.
Geboren wurde Frassati 1901 in Turin als Sohn einer italienischen Familie der Oberschicht. Sein Vater Alfredo war Gründer und Leiter der bekannten Tageszeitung La Stampa. Von 1920 bis 1922 bekleidete der Journalist und Politiker zudem das Amt des italienischen Botschafters in Berlin. In der Familie Frassati war die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche eher eine Formsache, für ihren Sohn Pier Giorgio sollte sie aber zum Zentrum seines Lebens werden. Schon während der Schulzeit wollte er täglich die Heilige Messe besuchen, was zu starken Protesten seiner Mutter führte. Frassati trat in jungen Jahren sogar einer Marianischen Bruderschaft bei.
Von seinen Eltern unbemerkt kümmerte sich der Jugendliche um Obdachlose und in Not geratene Menschen. Es ist überliefert, dass Frassati spontan frierenden Personen seine Kleidung überließ oder ihnen Essen und Busfahrkarten kaufte. Mit 17 Jahren wurde er Mitglied in einer Vinzenz-Konferenz, die sich im Geist des heiligen Vinzenz von Paul um Bedürftige sorgte. In ihnen sah Frassati Christus selbst: "Um die Kranken, die Armen und die Unglücklichen herum sehe ich ein besonderes Licht."
Gott "unter den Bergleuten dienen"
Oft verband er seine karitative Tätigkeit mit dem Besuch der Messfeier oder der Anbetung. Frassati wollte Missionar werden und sich der Evangelisierung widmen. Das führte jedoch zu Konflikten mit seinem Vater, der andere Karrierepläne für seinen Sohn hatte. Einige Zeit arbeitete er auch im Zeitungsimperium der Familie, jedoch ohne großen Erfolg.
Frassati entschloss sich schließlich zum Studium des Bergbauingenieurwesens an der Universität Turin. Durch seinen Beruf wollte er Gott "unter den Bergleuten dienen". Am Studium an sich hatte Frassati jedoch keine große Freude und er soll eher ein schlechter Student gewesen sein. Der junge Mann war jedoch fasziniert von den Bergen und fuhr gerne Ski. Zahlreiche Wandertouren führten ihn in die Alpen und es gibt Bilder, die Frassati beim Bergsteigen hängend an Felsvorsprüngen zeigen. Darauf grinst er meist und sieht glücklich aus. Wahrscheinlich auch, weil er in der Regel mit Freunden in den Alpen unterwegs war.
"Compagnia dei Tipi Loschi"
"Er war sehr extrovertiert und wollte mit Menschen intensiv in Kontakt sein, um ihnen von Christus zu erzählen", sagt Kai Weiß über Frassati. "Dabei war er oft sehr witzig." So habe der junge Mann öfters mit seinen Freunden Billard gespielt und mit ihnen gewettet: "Wenn Du gewinnst, bekommst Du von mir etwas Geld, aber wenn ich gewinne, gehen wir zusammen in die Heilige Messe." Mit seinem Freundeskreis von jungen gläubigen Männern gründete er kurz vor dem Ende seines Studiums 1924 die "Compagnia dei Tipi Loschi", was so viel wie "Gesellschaft undurchsichtiger Typen" bedeutet. Ein augenzwinkernder Name für eine Gruppe, die dem Gespräch über den christlichen Glauben dienen sollte.
Einige Jahre zuvor war er als Laie dem Dritten Orden der Dominikaner beigetreten, weil er sich intensiv mit den Schriften der dominikanischen Heiligen Katharina von Siena beschäftigt hatte. "Frassati hat sich bewusst dafür entschieden, seine christliche Berufung als Laie zu leben", so Weiß. "Er hatte auch überlegt, Priester zu werden, dann aber gespürt, dass er Christus besser als getaufter Gläubiger dienen kann."
"Vergnügt und munter und nett"
Frassati hatte zudem eine enge Beziehung zu Deutschland: Er lebte während der Zeit seines Vaters als Botschafter in Berlin und war für einen Deutschkurs längere Zeit in Freiburg. Dort hatte er Kontakt zur Familie des bekannten Theologen Karl Rahner, der über ihn schrieb: Frassati sei ein junger Mann gewesen, der "vergnügt und munter und nett und bescheiden" war. Er habe ihn als fröhlichen Mann kennengelernt, "der mit den übrigen Studenten in der lebhaftesten und wildesten Weise lebte". Frassati hatte sogar vor, nach seinem Studienabschluss ins Ruhrgebiet zu ziehen, um dort den Bergleuten Christus nahezubringen.
Doch dazu kam es nicht mehr, denn Pier Giorgio Frassati verstarb 1925 an Kinderlähmung. Bei einem seiner Besuche in einem Elendsviertel hatte er sich mit der Krankheit infiziert. Seine Familie soll überrascht gewesen sein, dass Tausende Menschen zu seiner Beerdigung kamen, die ihn aufgrund seines Engagements für die Armen kannten. Rasch setzte die Verehrung des jungen Mannes ein. 1990 wurde Frassati von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Geehrt wurde der begeisterte Alpinist auch mit einem Bergpfad im italienischen Piemont, der nach ihm benannt ist. Nun wird Frassati von Papst Leo XIV. unter die Heiligen aufgenommen – zusammen mit dem im Jugendalter verstorbenen Carlo Acutis, der auch als "Cyber-Apostel" bekannt ist. Zwei junge Heilige, die Jugendlichen als Vorbild dafür dienen können, den christlichen Glauben zu leben – nicht nur beim Weltjugendtreffen in Rom.