Papst Paul VI. erwog wohl Abschaffung der Heiligen Jahre

Idee des Ablasses noch zeitgemäß?

Heilige Jahre gehören zu den erfolgreichsten Großereignissen der katholischen Kirche. Sie führen viele Millionen Menschen als Pilger nach Rom. Vor 50 Jahren stand die uralte Tradition aber offenbar auf der Kippe.

Heilige Pforte in Santa Maria Maggiore im Jahr 2016 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Heilige Pforte in Santa Maria Maggiore im Jahr 2016 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die Tradition der Heiligen Jahre in Rom stand vor 50 Jahren vor dem möglichen Aus. Das geht aus bislang unveröffentlichten Aufzeichnungen des Konzilspapstes Paul VI. (1963-1978) hervor, die jetzt im Vatikan in einem Buch dokumentiert wurden.

Papst Paul VI. am 29. Juni 1968 / © CNS photo (KNA)
Papst Paul VI. am 29. Juni 1968 / © CNS photo ( KNA )

Demnach hatte der damalige Papst erhebliche Zweifel, ob die mit der Idee des Ablasses verbundene Tradition der Heiligen Jahre überhaupt noch zeitgemäß sei. Diese Zweifel brachte er in handschriftlichen Notizen zum Ausdruck, die in dem aktuellen Buch "L'anno santo con Paolo VI" (Das Heilige Jahr mit Paul VI.) von der vatikanischen Verlagsbuchhandlung LEV veröffentlicht wurden. Herausgeber ist der italienische Geistliche Leonardo Sapienza, seit 2012 Regent der Präfektur des Päpstlichen Hauses und damit für den reibungslosen Ablauf innerhalb des päpstlichen Haushalts zuständig.

Bewusste Konfrontation mit der Moderne

Nach gründlicher Abwägung habe sich Paul VI. dann doch entschieden, die Tradition der Heiligen Jahre fortzusetzen und damit auch bewusst in eine Auseinandersetzung mit der modernen Welt zu führen, heißt es dort. Der Papst hielt dies damals in seinen Notizen mit den Worten fest: "Konfrontation von Glaube und Welt - die Welt entwickelt sich und neigt dazu aufzusaugen, zu verschlingen, zu relativieren."

Dem setzt er entgegen: "Erneuerung durch das Festhalten an den fruchtbaren Prinzipien - Wiederentdeckung des Reiches Gottes - Energie und Hoffnung (...) Rückkehr in 'Gnade'. Umkehr, Buße und sakramentale Vergebung. (...) Berufung zur sozialen Verantwortung." Zusammenfassend hält er drei Ideen für das Heilige Jahr fest: "1. Erweckung. 2. Konfrontation 3. Reform."

Öffentliche Hinweise auf Zweifel

Seine ursprünglichen Zweifel am Heiligen Jahr hatte Papst Paul VI. selbst 1974 in einer Ansprache zur Ankündigung des Heiligen Jahres angedeutet. Damals sagte er: "Nach Gebet und Nachdenken haben wir entschieden, das kommende Jahr 1975 als Heiliges Jahr zu feiern - gemäß dem 25-jährigen Rhythmus."

Das erste Heilige Jahr seit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) wurde seinerzeit ein überraschend großer Erfolg.

Pilger durchschreiten die Heilige Pforte im Petersdom (Archivbild) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Pilger durchschreiten die Heilige Pforte im Petersdom (Archivbild) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Mehr als neun Millionen Pilger strömten 1975 durch die Heiligen Pforten der Papstkirchen in Rom. Im laufenden Heiligen Jahr 2025 rechnet der Vatikan mit rund 30 Million Pilgern.

Das bislang erfolgreichste Heilige Jahr war das Jahr 2000; damals kamen laut vatikanischer Zählung rund 25 Millionen Pilger nach Rom. Das erste Heilige Jahr fand 1300 unter Papst Bonifaz VIII. statt.

Information der Redaktion: Leonardo Sapienza (Hrsg.): L'Anno Santo con Paolo VI. Verlag Libreria Editrice Vaticana, 398 S., 22 Euro

Heiliges Jahr

Das Heilige Jahr ist ein Jubiläumsjahr in der katholischen Kirche. Es wird regulär alle 25 Jahre begangen. Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto "Pilger der Hoffnung". Einen Ablass von Sündenstrafen können Pilger dabei nicht nur bei Wallfahrten an eine der heiligen Stätten des Jubiläums oder eine der vier großen päpstlichen Basiliken in Rom erhalten, sondern auch beim Besuch der Verkündigungskirche in Nazareth, der Geburtskirche in Bethlehem oder der Grabeskirche in Jerusalem.

Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari (KNA)
Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA