Diesen Freitag findet in Baden-Württemberg die offizielle Gedenkfeier für die Opfer des schweren Bahnunglücks bei Riedlingen statt. Bei dem Zugunglück am vergangenen Sonntag kamen drei Menschen ums Leben, 36 weitere wurden verletzt.
Die Feier wird gemeinsam von Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche gestaltet. Neben Angehörigen und Betroffenen werden auch Politikerinnen und Politiker sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erwartet.
Gedenkveranstaltungen wie diese haben in Deutschland Tradition - etwa nach Flugzeugabstürzen, Amokläufen oder Terroranschlägen. Sie schaffen einen Raum der kollektiven Trauer und Anteilnahme.
"Gemeinschaft nach Todesfällen ist sehr wichtig", sagt Dirk Pörschmann. Er ist Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. "Menschen sind soziale Wesen. In Momenten der Trauer brauchen sie den Trost des Kollektivs", so der Experte.
Ausdruck von Nähe und Solidarität
Besonders nach großen Unglücken sei es entscheidend zu spüren, dass man mit seiner Trauer nicht allein ist. Solche Feiern ermöglichen es zudem auch Menschen, die nicht direkt betroffen sind, ihre Solidarität auszudrücken. Bei Trauerfeiern sei es zudem entscheidend, dass die Worte der Redner ehrlich und anerkennend seien. Wenn Amtsträger sprechen, werde dies von vielen als besondere Würdigung empfunden.
Gleichzeitig gibt es immer wieder Kritik daran, dass offizielle Trauerfeiern häufig kirchlich geprägt sind - in einer Gesellschaft, in der die Bindung an die Kirchen stetig abnimmt. Pörschmann verweist jedoch auf die besondere "rituelle Kompetenz" der christlichen Konfessionen. "Kirchen verfügen über große Erfahrung in der Durchführung von Ritualen. Es liegt nahe, dass sie solche Feiern gestalten."
Problembewusstsein der Kirchen
Die Kirchen reagieren mittlerweile auf die religiöse Vielfalt in Deutschland. Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte 2020 eine Handreichung, die praktische Hinweise zur Gestaltung öffentlicher Trauerfeiern gibt. Da rein konfessionelle Feiern selten geworden sind, liegt der Fokus auf Formaten, die mehrere christliche Konfessionen, andere Religionen und auch säkulare Menschen einbeziehen.
Ein Beispiel für solche inklusiven Rituale war 2009 die Gedenkfeier nach dem Amoklauf von Winnenden. Dort wurden Kerzen mit den Namen der Opfer aufgestellt - bewusst ohne christliche Symbolik, sodass sie von allen, ob gläubig oder nicht, angenommen werden konnten. Auch nach dem Germanwings-Absturz 2015 kamen ähnliche Symbole zum Einsatz: Engelsfiguren, die in vielen Religionen, aber auch in säkularen Kontexten, als Zeichen von Schutz und Beistand gelten.
"Symbole haben in der Trauerarbeit eine besondere Bedeutung", betont Pörschmann. "Wir Menschen sind Sinneswesen. Wenn das Unbegreifbare durch etwas Greifbares erfahrbar wird, erleichtert das die Verarbeitung." Das habe sich auch während der Corona-Pandemie gezeigt: "Digitale Anteilnahme allein reicht nicht. Trauer braucht Präsenz und Nähe."
Nähe und Gemeinschaft brauche es auch nach der ersten Trauerzeit, sagt Pörschmann. "Die Trauer nach einem Todesfall braucht Begleitung - auch Monate und teils Jahre nach einem Verlust." Oft holten Betroffene sich nicht von selbst Hilfe, sie müssten aktiv angesprochen werden. Das sei fast noch wichtiger als die öffentliche Anteilnahme bei großen Trauerfeiern wie jetzt im Liebfrauenmünster in Zwiefalten, so der Experte.