In der Rhön entsteht Deutschlands erste Radweg-Kapelle

"Sie wird irritieren, aber ist eine Einladung"

In der hessischen Rhön geht ein besonderes Projekt auf die Zielgerade. Ein renommiertes Architektenbüro hat eine markante Radweg-Kirche entworfen. Nach Jahren der Vorbereitung soll der Bau der Himmelstreppe Anfang 2026 starten.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Zwei Radfahrer auf dem Milseburg-Radweg in der hessischen Rhön / © Volker Hasenauer (KNA)
Zwei Radfahrer auf dem Milseburg-Radweg in der hessischen Rhön / © Volker Hasenauer ( KNA )

Weit geht der Blick ins Tal. Wolken hängen über der Rhön. Zwei Rad-Wanderer trotzen an diesem Julitag dem leichten Regen auf ihrer Tour von Mainz nach Prag. 

Hinweisschild für die geplante "Radwegekirche Milseburg" am zukünftigen Standort der Kirche in Hofbieber / © Volker Hasenauer (KNA)
Hinweisschild für die geplante "Radwegekirche Milseburg" am zukünftigen Standort der Kirche in Hofbieber / © Volker Hasenauer ( KNA )

"Genau hier am Milseburg-Radweg, an einer der schönsten Radstrecken Deutschlands wird unsere Kapelle entstehen", sagt Pfarrer Georg Ander-Molnár. Als wohl erste, eigens für Radfahrer gebaute Radweg-Kirche Deutschlands.

"Die Kapelle wird vorbeikommende Radler überraschen, vielleicht zunächst irritieren. Sie ist eine Wegmarke und nicht auf den ersten Blick als Kirche zu erkennen. Aber sie ist eine Einladung. Wer durch das Portal geht, wird den Andachtsraum entdecken", erläutert Architekt Jörg Sturm.

Einfache, klare Formen

Die Entwürfe zeigen eine Himmelstreppe mit breiten Stufen und einer kleinen Aussichtsplattform. Einfache, klare Formen. Ein Dreieck, das zum Himmel zeigt. Und einen intimen Gebetsraum, dessen große Flügelfenster in Kreuzform den Blick ins Tal freigeben. In einem Wettbewerb überzeugte Sturm und sein Team die Expertenjury.

Beteiligt hatten sich 29 Architekturbüros. Vielleicht auch, weil es in Deutschland kaum noch Gelegenheiten gibt, eine Kirche neu zu errichten. Viel häufiger kommt es inzwischen vor, dass Gotteshäuser geschlossen, verkauft oder abgerissen werden.

"Spirituelle Orte werden gebraucht"

Die Unterstützer der Milseburg-Radweg-Kapelle sind sicher, dass Orte zum Innehalten, zur Meditiation und zum Gebet auch künftig dringend nötig sein werden. Gerade an überraschenden Orten. 

Georg Ander-Molnár (l.), evangelischer Pfarrer sowie einer der Initiatoren der "Radwegekirche Milseburg" und Carsten Schütz, Vorstandsmitglied des Fördervereins "Radwegekirche Milseburg"  / © Volker Hasenauer (KNA)
Georg Ander-Molnár (l.), evangelischer Pfarrer sowie einer der Initiatoren der "Radwegekirche Milseburg" und Carsten Schütz, Vorstandsmitglied des Fördervereins "Radwegekirche Milseburg" / © Volker Hasenauer ( KNA )

"Viele werden die Himmelstreppen-Kapelle zuerst als willkommene Abwechslung, als Ort
für eine Pause mit fantastischer Aussicht nutzen. Aber sie werden sich dann auch auf den Gebetsraum einlassen", ist Pfarrer Ander-Molnár überzeugt.

Die beiden Fern-Radwanderer Dennis Martin und Andreas Zimmermann hätten ganz sicher einen Kapellen-Stopp gemacht, erklären sie spontan. "Besonders bei Regen wäre das hier ein fantastischer Ort für eine Pause unter Dach", so Zimmermann. 

Und sein Touren-Begleiter ergänzt: "Schon der Entwurf der Kapelle auf dem Plakat strahlt eine große Ruhe aus und das Konzept mit der Treppe als Aussichtsort ist cool."

Gesamtkosten 350.000 Euro

Die Macher hoffen, dass der Bau nach jahrelanger Vorbereitung im Frühjahr 2026 endlich beginnen kann. Finanziert wird die Kapelle je zur Hälfte aus Spenden und EU-Zuschüssen. 50.000 Euro kommen von der evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck. Seit gut zehn Jahren wirbt ein Förderverein für das Projekt.

"Jetzt haben wir den nötigen Etat von rund 350.000 Euro endlich zusammen", berichtet Carsten Schütz vom Förderverein. Ungeduld sei das falsche Wort, aber alle hofften, dass jetzt schnell die letzten offenen, organisatorischen Fragen geklärt werden.

Umweltschonender Bau

Der Bau soll ressourcenschonend und mit möglichst wenig CO2-Ausstoß gelingen. Als Wandverkleidung werden alte Ziegelsteine, wie sie oft in den Scheunen und Bauernhäusern der Rhön zu finden sind, wiederverwertet. Statt Beton ist eine Holzträger-Konstruktion geplant. Es fehlt nur noch die Berechnung des Statikers. 

Architekt Jörg Sturm  / © Volker Hasenauer (KNA)
Architekt Jörg Sturm / © Volker Hasenauer ( KNA )

Aufgrund der zuletzt stark gestiegenen Baupreise wird die Kapelle etwas kleiner werden als zunächst geplant. "Aber das passt als Zeichen für Bescheidenheit in unsere durch und durch materialistische Welt", sagt Architekt Sturm. "Wir haben uns zu sehr an Luxus gewöhnt. Wir brauchen ein Umdenken - nicht nur in der Architektur, in allen Lebensbereichen"

Taufe und Meditation

25 Quadratmeter wird der Andachtsraum haben. Groß genug für Taufen, Meditation und kleine Gottesdienste. "Bei gutem Wetter können wir die Fenster zum Tal hin öffnen und die Wiese vor der Kapelle für den Gottesdienst nutzen», verdeutlicht Pfarrer Ander-Molnár das Konzept.

Ob die am Rande des Rhönorts Elters, rund 500 Meter hoch gelegene Milseburg-Radweg-Kapelle dann tatsächlich einen Nerv treffen wird und Wanderer und Radfahrer sie als Ort der Stille annehmen werden - das wird sich nicht durch die Größe der Kirche entscheiden, da sind sich die Macher einig.

Inspiration Zumthor-Kapelle

Und sie verweisen auf die vom Schweizer Architekten Peter Zumthor 2005 errichtete Bruder-Klaus-Feldkapelle in der Eifel. Aus Nadelholz-Stämmen und Stampfbeton ist dort ein spiritueller Ort entstanden, der inzwischen Menschen aus ganz Europa anzieht.

Soweit ist es in der Rhön noch nicht. Bislang markieren nur ein Schild und ein schlichtes Stahlkreuz den Kapellenstandort. Doch die Erwartungen sind hoch.

Radwege-Kirchen

Radtouren boomen, nicht nur während der Tour de France. Die Kirchen in Deutschland laden zu spirituellen Stopps ein in einer von rund 800 Radwege-Kirchen.

Seit 2009 verzeichnet die Internetseite "radwegekirchen.de" bundesweit Kirchen und Kapellen, die entlang von touristisch bedeutsamen Radwegen liegen. Inzwischen sind es etwa 800, immer noch kommen neue hinzu.

Eine Fahrradtour in den Sommerferien / © nnattalli (shutterstock)
Eine Fahrradtour in den Sommerferien / © nnattalli ( shutterstock )
Quelle:
KNA