Caritas hofft auf mehr Einwanderer für Soziales

"Wir brauchen mehr Migration"

Caritas-Direktor Markus Peters wünscht sich mehr sozialen Einsatz von der Politik. Er warnt vor großen Versorgungslücken, wenn die Politik nicht stärker in Pflege, Bildung und bezahlbares Wohnen investiert. Migration könne helfen.

Autor/in:
Alexander Foxius
Altenpflege / © Jens Kalaene (dpa)
Altenpflege / © Jens Kalaene ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Wir öffnen Türen" ist das Motto des Jahresempfangs der katholischen Sozialträger in Köln. Was steckt hinter dem Motto? 

Markus Peters (Vorstandssprecher der Caritas Köln): Es bringt das zum Ausdruck, was wir schon immer getan haben, tun und hoffentlich auch immer tun werden für Menschen, die in Not sind, die am Rand stehen, die einsam sind. Wir wollen die Türen aufmachen und offen halten, damit sie ein voll anerkannter Teil dieser Gesellschaft sind und sie die Hilfe bekommen, die sie benötigen. 

 © Alexander Foxius (DR)
© Alexander Foxius ( DR )

Das Motto steht aber auch dafür, dass wir immer darum ringen müssen, diese Türen offen zu halten. Und das wollen wir mit allen Partnerinnen und Partnern, die wir haben, im Ringen um die besten Lösungen für die Menschen weiterhin tun. Es ist ein Symbol dafür, dass wir in diesen Zeiten auch eine funktionierende Refinanzierung dieser Angebote brauchen. Nur dann können wir die Angebote vollumfänglich offen halten. 

DOMRADIO.DE: Sie sprachen in ihrer Ansprache beim Jahresempfang von einer Dystopie und einer Utopie eines sozialen Kölns. Wir sind jetzt im Jahr einer Kommunalwahl. Was ist Ihre Hoffnung an die Kommunalpolitik? 

Peters: Am Bereich der Versorgung älterer Menschen in dieser Stadt lässt sich schon sehr gut verdeutlichen, dass das dystopische Züge bekommen kann. Wir haben heute in Köln 4.000 Pflegeplätze zu wenig. Jeder, der in Köln wohnt oder vielleicht einen Angehörigen hat, der hier in Köln wohnt und den er gerne in eine stationäre Pflegeeinrichtung bringen möchte, weiß, wie schwierig es ist, eine ambulante Versorgung zu bekommen. 

Markus Peters

"Eine soziale Stadt betrifft Gesundheit, Bildung, Arbeit, Wohnen, natürlich auch Wirtschaft, weil alles zusammen gehört."

Wir ringen um gute Strukturen, um Menschen zu Hause zu vernetzen, sie beraten zu können. Das tun wir mit ganz vielen ehrenamtlichen Diensten, auch in der gesamten Caritas-Familie. Und das ist alles zu wenig für die Herausforderung, die auf uns zukommt. Es werden immer mehr ältere Menschen anteilig, die absolute Zahl steigt natürlich auch. Und wir müssen eine ganz andere Energie dafür bekommen, damit alte Menschen nicht einsam und schlecht versorgt zu Hause sind. Das ist der dystopische Teil. 

Der utopische Teil ist, dass wir eine Stadtverwaltung, eine Stadtspitze und einen Rat der Stadt Köln bekommen, der sagt, für uns ist die maßgebliche Strategieperspektive, dass wir auf sozialen Frieden in dieser Stadt, auf eine soziale Stadt hinsteuern. Das hört sich utopisch und vielleicht ein bisschen romantisch an, würde aber ganz viele Bereiche betreffen, nämlich Gesundheit, Bildung, Arbeit, Wohnen, natürlich auch Wirtschaft, weil alles zusammengehört. 

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, wir brauchen Migration. Ist das gerade auch im Hinblick auf Pflege und Soziales entscheidend? 

Peters: Ja, das muss ich ganz klar so sagen. Mir gefällt die Diskussion, die hier in den letzten Monaten und Jahren geführt worden ist, überhaupt nicht. Sie lässt die Fakten völlig außen vor. Das deutsche Gesundheitssystem würde zusammenbrechen, wenn wir nicht viele Mitbürgerinnen und Mitbürger hätten, die aus anderen Ländern hierhergekommen sind und die dieses System mit einer unglaublichen Energie und Zugewandtheit zu den Menschen mittragen. 

Markus Peters

"Wir brauchen nicht weniger, wir brauchen mehr Migration."

Heute gibt es schon unglaublich viele Menschen mit einem Migrationshintergrund in der Pflege und im Gesundheitswesen und wir werden in den nächsten zehn Jahren auch wieder durch die Alterung unserer Gesellschaft sehen, dass ganz viele Fachkräfte in der Altenpflege ausscheiden werden. 

Wir haben noch nicht mal ausreichend Ausbildungsplätze, um das alles füllen zu können. Aber diese Ausbildungsplätze können wir nur füllen, wenn wir junge Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Gesellschaft dafür gewinnen können und alles dafür tun, dass sie diese Ausbildung erfolgreich abschließen. 

Und deswegen ist es ganz klar: Wir brauchen nicht weniger Migration, sondern wir brauchen mehr Migration. Dass man über die Details diskutieren muss, das ist völlig klar, aber wenn Sie mich danach fragen, dann ist es genauso wie ich es gesagt habe. 

Das Interview führte Alexander Foxius.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 700.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Der 1897 in Köln gegründete Verband unterhält Geschäftsstellen in Freiburg, Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!