Noch nicht lange ist es her, dass ich mit der S-Bahn durch Marzahn in Berlin gefahren bin. Neben mir saß eine junge Frau mit dem traditionellen Wegbier zum Feierabend. Plötzlich ruft sie überrascht: "Wir haben einen neuen Papst!" Ich bin noch gelähmt von der Neuigkeit an sich, da schallt uns sofort von einer Mitreisenden die notwendige Frage entgegen: "Wie heißt er?" Meine Nachbarin informiert uns pflichtbewusst, denn der Name Leo XIV. läuft bereits über die Newsticker. Die nun folgende Reaktion von gegenüber wird mich noch lange begleiten: "Na dann, Amen!"
Mit anderen Antworten hatte ich gerechnet, aber einen fast liturgischen Bezug hatte ich in dieser S7 wirklich nicht erwartet. Die Wahrscheinlichkeit eines christlichen Bezuges der beiden Reisenden fällt bei einem Anteil von katholischen 3,4 Prozent in Marzahn gering aus. Umso mehr regt diese kurze Antwort zum Nachdenken an. Es ist eben nicht nur eine schöne Geschichte am Rande der Papstwahl, sondern auch ein Impuls zum Gebetsanliegen des frisch gewählten Papstes für den Juni: "Dass die Welt im Mitgefühl wachse".
Vorurteil und Freiheit
Eines steht fest: Derjenige mit Vorurteilen in der S-Bahn war der Pater. Die beiden mitfahrenden Damen haben sich die Freiheit genommen, offen für eine Welt zu sein, die sie wohl wenig kennen. Ich spürte ein ehrliches Gefühl von Interesse und Freude. Meine S-Bahn-Begleitung hatte sich eingelassen auf die Situation. Das "Na dann, Amen!" zeugt von einer hohen Fähigkeit zur Empathie.
Es bejaht die Botschaft, bekräftigt sie und macht sie gültig. Für andere Menschen Mitgefühl zu zeigen - das ist eben nicht gebunden an Bildung oder Vorwissen, sondern an die Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszublicken, dafür einzustehen und ein Gefühl zu bekräftigen. Die Botschaft vom Reich Gottes fordert von Menschen diesen Blick über den Tellerrand. Seine Botschaft und Wahrheit wollen frei machen (vgl. Joh 8,32), in seiner Freiheit kann man ein mitfühlender Mensch werden, der Trost in die Welt bringt. Befreit durch ihn können wir seinen Trost für die Welt und seine Botschaft bekräftigen. Na dann, Amen.
Alltag und Wachsamkeit
Auch wenn man mit offenen Augen durch die Welt gehen, fehlt oft noch etwas, um das "Na dann, Amen!" ausrufen zu können. Auch hier bewundere ich die Damen aus der S-Bahn. Sie waren nicht nur frei genug, sich einzulassen auf die Neuigkeit der Papstwahl, sondern sie waren auch bereit. "Spät habe ich Dich geliebt o Schönheit", ruft der heilige Augustinus im zehnten Kapitel seiner Bekenntnisse aus.
Jede und jeder kann sich deshalb selbst fragen: Wie oft gehen wir durch den Alltag und verpassen Chancen für gelebtes Mitgefühl? Im Mitgefühl zu wachsen fordert den richtigen Zeitpunkt, den richtigen Ort, fordert Wachsamkeit im Alltag. Mitgefühl als Herzensanliegen Jesu in uns wachsen zu lassen fordert auch unser waches Herz: "... das sage ich allen: Wachet!" (Mk 13,37). Nur wer wach durch den Alltag geht, kann das tröstende und mitfühlende Wort bei Not und Sorgen der Mitmenschen bekräftigen.
Ermutigung und Zustimmung
Die Reaktion aus der S-Bahn führt aber noch weiter, denn es ist kein genervtes "na, dann eben nicht" oder resigniertes "na, dann ist es so". Die Reaktion weckt und fordert auf. Aus dem "Na dann, Amen!" scheint jener Optimismus auf, mit dem auch Jesus sein Herzensanliegen an seine Freunde weitergibt. Sie sollen "mit ihm sein" (Mk 3,14), mit ihm sich seiner Sache annehmen, sich ermutigt fühlen. Indem auch Christinnen und Christen heute "mit ihm" sind, lässt sich seiner Aufforderung nachspüren: "Na dann, auf, nehmt euch meiner Sache an."
Diese positive Zuwendung entspringt dem Herzen Jesu und lädt ein, mit ihm zu gehen. Na dann: Amen! Wenn wir also mit Papst Leo XIV. beten, dann dürfen wir aus der Botschaft eines Gottes lernen, der die persönliche Beziehung zu den Menschen will. Wir dürfen wachsam und frei im Alltag selbst zu Botschaftern seines Trostes werden. Wir dürfen uns vom Herzensanliegen Jesu zu Mitgefühl ermutigt und aufgefordert fühlen und darin wachsen. Na dann - Amen!