DOMRADIO.DE: Was hat die Kirche auf einer Digitalmesse verloren?
Michael Hertl (Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Medien im Erzbistum Freiburg): Die Kirche interessiert sich für alle Themen, die den Menschen betreffen: Menschenwürde, bessere Gesellschaft. Da ist die re:publica in Berlin genau der richtige Platz, um das zu zeigen.
DOMRADIO.DE: Die Fragestellung lautet: Kann Künstliche Intelligenz Antworten auf die großen Sinnfragen geben?
Hertl: Das wollen wir herausfinden und uns dem Thema annähern. KI hat wahnsinnig viele Facetten und Aspekte. Es gibt verschiedene Themen, mit denen Menschen sich an die KI wenden. Das können psychische Probleme sein oder Informationsfragen und eben auch spirituelle Fragen.
Wir wollen herausfinden, woher diese Spiritualität kommt, die eine KI einem geben kann. Ist das originär etwas Künstliches oder ist es etwas Menschliches oder ist es etwas Göttliches? Das kann man vielleicht gar nicht so genau sagen. Wir haben ein Panel aus ganz verschiedenen Experten, die sich diesem Thema annähern wollen.
DOMRADIO.DE: Beten kann eine KI aber nicht, oder?
Hertl: Als Theologe würde ich sagen, dass die KI nicht beten kann. Beten kann man nur als Mensch. Aber sie kann einem Impulse geben. Sie kann meine Gedanken lenken. Sie kann mich vielleicht in eine Stimmung versetzen, in der ich gut beten kann. Ich glaube, man muss sich dem in Kreisen nähern. KI ist ein Werkzeug. Das kann mir dabei helfen, idealerweise auch im Bereich der Spiritualität.
DOMRADIO.DE: KI bringt auch viele Gefahren mit sich: zum Beispiel, dass die KI den Menschen über den Kopf wächst und sich der Mensch mit der KI eine Art neuen Gott schafft, der zumindest vorgibt, alles zu wissen.
Hertl: Die Gefahr ist sicher da. Dass KI eine riesengroße Herausforderung ist, hat auch der neue Papst erkannt, der sein Pontifikat vielleicht sogar unter dieses Motto stellt. Die große neue Herausforderung ist die KI. Man muss in erster Linie verstehen, was da eigentlich passiert. Man darf sich dem nicht ausliefern. Man muss sich mit Sachverstand hineinbegeben, um zu sehen, wie wir das mitgestalten können.
Die Chancen sind riesig, man muss diese Chancen auch nutzen, aber immer gucken, was mögliche Gefahren sind. So war es auch bei der letzten industriellen Revolution. Die Dampfmaschine kann Angst machen, aber kann auch viel Gutes bewirken. Ähnlich ist es vermutlich mit der KI.
DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich schon länger mit Fragen rund um die KI. Wie ist das für Sie persönlich? Haben Sie manchmal Angst vor dieser übermenschlichen Macht, die KI entwickeln könnte?
Hertl: Angst würde ich das nicht nennen. Ich nutze KI viel im Alltag, weil sie ein großes, nützliches Werkzeug ist. Bedenken bereitet mir, wenn man nicht mehr kontrolliert, wie sie sich weiterentwickelt. Es gibt diese Entwicklungen in der Super-KI, die tatsächlich die menschliche Intelligenz übersteigt. Wenn wir nicht mehr wissen, was da eigentlich passiert, dann wird es gefährlich, weil dann die KI klüger sein würde als wir und und irgendwann auch den Notknopf nicht mehr zur Verfügung stellen würde.
Da muss man aufpassen, dass wir dort nicht hineingeraten. Aber insgesamt würde ich mir auch für Kirche wünschen, dass wir diese neuen Möglichkeiten vielleicht konstruktiv kritisch begleiten.
DOMRADIO.DE: Dazu gehört auch, dass Sie jetzt bei der re:publica, einer renommierten Digitalmesse, überhaupt dabei sind und dort ein Podium organisiert haben. Wer wird dabei sein, wen haben Sie da eingeladen?
Hertl: Wir haben eine ganz interessante Mischung. Wir haben Claudia Paganini, eine Philosophin aus Österreich, die gerade ein neues Buch zum Thema "Der neue Gott" geschrieben hat, den die KI vielleicht darstellt. Wir haben den Medienminister aus Nordrhein-Westfalen, Nathanael Leminski, der sich für den Bereich Medienkompetenz einsetzt, was auch ein spannender, wichtiger Bereich ist. Außerdem haben wir den Theologen Lukas Brand, der in einem technischen Umfeld arbeitet. Er sitzt genau da, wo theologische Gedanken und Informatik zusammentreffen.
Diese drei sind eine spannende Kombination. Wir hatten ursprünglich sogar die Zusage von einem Vatikan-Experten. Das hat leider nicht geklappt, den kriegen wir vielleicht im nächsten Jahr. Trotzdem glaube ich, dass wir ein spannendes Panel haben, das ganz verschiedene Perspektiven in dieser Fragestellung abdecken kann.
Das Interview führte Hilde Regeniter.