Der christliche Glaube geht die ganze Gesellschaft an - dieser Meinung ist der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Zur Feier der Osternacht am Samstagabend im Münchner Liebfrauendom sagte er laut Manuskript: "Wir können das, was wir sehr allgemein mit 'dem Westen' bezeichnen, nicht verstehen ohne das Christentum, ohne die Feier des Sonntags, ohne die Feier der Auferstehung, ohne den Blick auf den Gott, der in Jesus unser Bruder geworden ist, der Bruder aller Menschen."
Das Christentum sei keine Sonderwelt, betonte der Kardinal: "Ohne dieses Bekenntnis, ohne diese Erfahrung fehlt etwas im Gesamten unserer Kultur. Das ist meine Überzeugung. Und dafür einzutreten, das ist unser österlicher Auftrag." Dabei verwies er auch auf die Debatten rund um die jährliche kirchliche Statistik. Man müsse sich den Realitäten stellen, dürfe aber nicht nur auf die Zahl der Gläubigen, die Menge ihrer Institutionen schauen, so Marx. Bedeutung erhalte die Kirche dadurch, etwas sagen zu können, das für alle wichtig sei. Entscheidend sei, mit Freude die Botschaft von Ostern weiterzusagen.
Seit der gesetzlichen Einführung des Sonntags und der Sieben-Tage-Woche im Jahr 321 durch den römischen Kaiser Konstantin ist der Sonntag laut dem Kardinal ein entscheidendes Kennzeichen der Kultur. Auch im Zusammenwirken von Politik und Kirche sei er bis heute bedeutsam. Der Sonntag sei nicht nur ein Ruhetag, um für die Arbeit wieder gerüstet zu sein; vielmehr stelle er eine wirkliche Unterbrechung und eine Quelle der Hoffnung dar. Es gehe nicht zuerst um Moral und Gebote, sondern um ein Fest, ein Ereignis, um einen Aufbruch, um eine neue Sicht auf die Welt und das Leben. "Das feiern wir jeden Sonntag als Kirche. Und das tun wir für alle Menschen."
Koch: Ostern lädt zur persönlichen Gotteserfahrung ein
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat in seiner Osterbotschaft dazu aufgerufen, die zentrale Glaubensbotschaft von der Auferstehung Jesu Christi als Einladung zur persönlichen Gotteserfahrung zu verstehen. "Wer es nicht wagt, Gott als Wirklichkeit anzunehmen und mit ihm zu leben, wird auch nicht die Erfahrung machen, dass Christus an seiner Seite geht", erklärte Koch. "Du wirst ihn erfahren, wenn du dich auf ihn einlässt, wenn du ihm vertraust, wenn du wagst, mit ihm Lebens- und Glaubenserfahrungen zu machen."
An Ostern feiern die Christen weltweit die Überwindung des Todes durch die Auferstehung. Koch erläuterte, damit verbunden seien existenzielle Fragen: "Gibt es einen Gott oder gibt es ihn nicht? Und wenn ja, hat Gott die Macht und den Willen, uns Menschen über den Tod hinaus ins ewige Leben zu führen, in ein Leben voller Erfüllung, Frieden und Freude?" Christen glaubten nicht nur, dass Gott die Menschen im Tod nicht allein lassen werde, sondern auch, "dass der auferstandene Christus uns schon jetzt hier auf Erden ein ganzes Leben lang begleitet, stärkt und schützt", so Koch.
Heße: "Nicht in Konkurrenz zueinander - sondern in Einheit"
Der katholische Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat zu Ostern zu Zuversicht aufgerufen. "Dieser Tage sehen sich viele Menschen im Dunkeln, sie haben Angst und Sorge", heißt es in seiner am Donnerstag veröffentlichten Osterbotschaft. "Da ist es wichtig, dass in ihrer Dunkelheit Licht leuchtet." Heße knüpft dabei an das Licht an, das in der Feier der Osternacht vor der Kirche als Osterfeuer brennt. Dieses Licht gelte es selber zu empfangen und an andere weiterzugeben.
Nach den Worten des Erzbischofs strahlt am diesjährigen Osterfest ein besonderes kräftiges Licht in die Welt. Denn Christinnen und Christen aller Konfessionen feierten Ostern erstmals seit 2017 am gleichen Termin. Es sei "ein kraftvolles Zeichen", wenn in Rom, Jerusalem, Kiew, Moskau, Hamburg und an vielen weiteren Orten Gläubige Jesu Auferstehung feierten - "nicht in Konkurrenz zueinander - sondern in Einheit". Dies durchbreche nicht nur die Finsternis des Grabes, sondern auch "die Schatten jahrhundertelanger Spaltungen". Da die orthodoxe Kirche die Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 nicht mitgemacht hat, feiern Ost und West meist an unterschiedlichen Terminen das Osterfest.
Overbeck: Zuversicht auch in Krisen und Kriegen
Trotz Kriegen und Gewalt sieht der katholische Essener Bischof Franz-Josef Overbeck Anzeichen für Hoffnung. Diese werde zum Beispiel spürbar, "wenn verwundete Menschen getröstet werden oder Trauernde sich in allem Schmerz die Hoffnung auf ein ewiges Wiedersehen nicht nehmen lassen", schreibt er in seiner am Samstag veröffentlichten Osterbotschaft. Hoffnung sehe er auch bei jenen Menschen in der Ukraine oder im Heiligen Land, "die trotz aller grauenhaften Erfahrungen weiter die Türen zur Versöhnung öffnen".
Weiter sagte er: "Alle diese erstaunlichen Gesten der Hoffnung auf ein Leben, das stärker ist als der Tod, machen unseren Glauben konkret: Wer mit Gott dem Leben das letzte Wort lässt und nicht dem Tod, bleibt ein Mensch mit dem Mut zu hoffen."
Feige: Ostern ist Gegenteil von dem, was Populisten predigen
Die Osterbotschaft ist nach Ansicht des katholischen Magdeburger Bischofs Gerhard Feige genau das Gegenteil von dem, was Populisten gegenwärtig predigen. "Was wirklich trägt, was Halt gibt und Zukunft eröffnet, findet sich nicht in einfachen Antworten und schnellen Lösungen", erklärte er in seinem Osterwort: "Was wir an Ostern feiern, ist ein Bekenntnis und ein Aufruf zum Leben - zu einem Leben in Fülle. Ein solches Leben gestaltet sich aber nicht in Abschottung und Ausgrenzung, sondern ist dort, wo es Bewegung gibt, Aufbruch und Begegnung."
Feige betonte: "Liebgewonnenes kann nicht konserviert werden, wie es uns manche weismachen wollen oder nachdrücklich fordern. Leben bringt immer wieder Veränderungen. Ja, und das kann verunsichern. Wir können dem aber auch hoffnungsvoll und mit Zuversicht entgegenblicken." Dazu lade die christliche Botschaft von Ostern ein: "Die lähmende Angst und der Tod sind überwunden; sie haben nicht das letzte Wort. Das Ja zum Leben ist stärker als die Angst." Ostern sei eine freudige Verheißung und ein kraftvoller Impuls zu einem beziehungsreichen Leben, zu Mut, Vertrauen und Zuversicht.
"Lassen wir uns also angesichts der Nöte unserer Zeit nicht lähmen, sondern trauen wir der Botschaft vom Leben", ermutigte der Bischof. "Die Aussicht darauf, auch beim eigenen Sterben nicht sang- und klanglos im Nichts zu enden, sondern in Gottes Ewigkeit persönlich und gemeinschaftlich eine Zukunft zu haben, entkrampft, befreit und beflügelt." Wer daran glauben könne, "wird sich nicht ins private Abseits flüchten oder drängen lassen, sondern vielmehr versuchen, das menschliche Zusammenleben und die Gesellschaft kreativ mitzugestalten."
Timmerevers: Ostern ist Fest der neuen Perspektive aufs Leben
Ostern ist laut dem Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers ein Fest des Perspektivwechsels. "Denn wie wir auf die Welt blicken, verändert, was wir in ihr sehen", erklärte der sächsische Bischof in seinem Osterwort. "Ostern erinnert daran, dass Hoffnung nicht immer laut sein muss. Manchmal beginnt sie als leiser Trotz gegen die Resignation. Als Aufbruch mitten im Abbruch." Kern der christlichen Osterbotschaft sei der Satz: "Christus ist von den Toten erstanden." Für Christen verbinde sich damit eine neue Sicht auf die Welt.
In der gegenwärtigen Zeit sei solch ein veränderter Blick wichtig, betonte Timmerevers. Angesichts von Krieg, Klimakrise, gesellschaftlichen Spaltungen und auch dem Vertrauensverlust innerhalb der Kirche wachse Verunsicherung. Doch die christliche Osterbotschaft lade ein, in Brüchen Chancen zu sehen. "Nicht jeder Abbruch ist das Ende. Manche Risse sind die Voraussetzung für neues Licht", so Timmerevers. "Wer so sieht, sieht weiter. Nicht naiv - sondern hoffnungsvoll realistisch. Mit einem Blick, der Brüche nicht übertüncht, sondern verwandelt." Wer dem Leben eine zweite Chance gebe, feiere in gewisser Weise immer auch ein kleines Ostern.
Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.