Vize-ZdK-Präsidentin würdigt neues Vatikan-Papier

"Hoffnung auf weitere Überraschungen"

Rom hat den Segen für gleichgeschlechtliche Paare unter bestimmten Umständen ermöglicht, aber was ist mit den wiederverheiratet Geschiedenen? Birgit Mock plädiert seit dem Synodalen Weg für eine Reform und sieht nun positive Signale.

Wie sieht der künftige Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen aus? / © Harald Oppitz (KNA)
Wie sieht der künftige Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen aus? / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am Montag wurde zunächst viel auf die Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren geschaut. Sie sind Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) und Sie haben beim Synodalen Weg das Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen" mitgeleitet. Wie beurteilen Sie das Papier zum Beispiel für wiederverheiratet geschiedene Paare? Das sind Paare in so genannten irregulären Situationen... 

Birgit Mock / © Harald Oppitz (KNA)
Birgit Mock / © Harald Oppitz ( KNA )

Birgit Mock (Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Geschäftsführerin Hildegardis-Verein e. V.): Für wiederverheiratete geschiedene Paare ist dieses Papier ein ganz wichtiges Signal. Wir haben bei unserer Positionierung für Segensfeiern im Synodalen Weg unterschiedliche Paarbeziehungen einbezogen. Letztlich haben wir von "Paaren, die sich lieben" gesprochen. Das finde ich einen sehr schönen Ausdruck. Dazu gehören gleichgeschlechtliche Paare, sowie Paare, die nach einer Scheidung in einer zweiten, liebenden Beziehung verbunden sind, aber auch Paare, für die eine sakramental geschlossene Ehe vielleicht gar nicht in Frage kommt, und die nicht nur vor einer Ehe stehen, sondern die eben nicht verheiratet sind. 

Im Kern haben wir darauf geschaut, welche Werte Paare in ihrer Beziehung leben - Liebe, Treue und gegenseitiger Respekt. Insofern glaube ich, dass für all diese Paarbeziehungen das Signal aus Rom in Bezug auf Segenshandlungen sehr wichtig ist. 

DOMRADIO.DE: Dennoch gilt es als schwere Sünde, wenn man nach der kirchlichen Eheschließung und dem Scheitern der Beziehung zivil jemand anderen heiratet. Hat sich an dieser Lehre nun tatsächlich etwas geändert oder ist der Segen als eine rein pastorale Geste zu verstehen? 

Mock: Das Besondere an diesem Zeichen aus Rom ist, dass es den Segen in den Mittelpunkt stellt. Es öffnet den Blick auf die Kraft, die ein Segen entfalten kann. Der Segen war schon immer für die Menschen etwas Schönes. Ein Segen ist bestärkend. Er bringt eine Verbundenheit mit Gott zum Ausdruck. Und es haben sich in der Praxis viele Segensformen entwickelt. In dem Satz der Erklärung aus Rom heißt es nun: "Die Segen werden zu einer pastoralen Ressource, die es zu nutzen gilt." 

Birgit Mock

"Die Lehre der Kirche wurde mit dieser Erklärung nicht verändert. Ich will den Satz mit 'noch' ergänzen."

Die Lehre der Kirche wurde mit dieser Erklärung nicht verändert. Ich will den Satz mit 'noch' ergänzen, weil das letztlich meine Hoffnung ist. Mit dieser Erklärung wurde eine Brücke in diese Ungleichzeitigkeit hinein gebaut. Ab sofort sind Segensfeiern für all die genannten Paarbeziehungen erlaubt. Deswegen ist dieses Papier wichtig.

DOMRADIO.DE: Man könnte einwenden, dass ein Segen möglich ist, aber es darf nicht im Rahmen eines Gottesdienstes stattfinden, um es nicht mit einer sakramentalen Ehe zu verwechseln. 

Mock: Die Unterscheidung zu einer sakramentalen Eheschließungsfeier wurde in diesem Papier ausdrücklich betont. Allerdings haben wir das in unserem Beschluss im Synodalen Weg in Deutschland auch so vorgesehen. Die sakramental geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau mit den entsprechenden Gesten, Riten und allem, was dazugehört, gibt es ja schon. 

Das andere, wofür wir uns stark gemacht haben, ist der Segen für Paarbeziehungen. In der vatikanischen Erklärung ist die Rede davon, dass es für die Segenshandlungen keine rituelle Normierung geben soll. Daran können wir in Deutschland gut anknüpfen, weil wir eine Vielzahl von Segensformaten haben. Seelsorgende haben nach Befragung ihres Gewissens in allen Diözesen bereits Segenshandlungen vollzogen. Das wollen wir jetzt durch eine Handreichung ordnen und zusammenstellen. 

DOMRADIO.DE: Nach wie vor sieht die Kirche das Zusammenleben von Frau und Mann als unverheiratetes Paar als eine schwere Sünde an. Doch auch diese Paare können sich nun segnen lassen. Ist das die Anerkennung des Faktischen, dass die "wilde Ehe" in vielen Ländern der Welt längst Realität ist? 

Mock: Die Erklärung, die wir aus Rom gehört haben, setzt an dem Glauben der Menschen an. Das finde ich sehr schön. Wenn Menschen ihre Beziehung unter den Segen Gottes stellen wollen, wenn sie glauben, dass Gott bei ihnen ist und ihnen Stärke und Unterstützung sein kann, ist das möglich. 

Birgit Mock

"Das ist ein vertieftes pastorales Verständnis. Das ist etwas, woran wir in Deutschland sehr gut anknüpfen können."

Diese Bitte und diese Verbundenheit mit Gott werden zum Ausgangspunkt für der Betrachtung, wo der Segen, die Liebe Gottes schon längst ist. Das ist ein vertieftes pastorales Verständnis. Das ist etwas, woran wir in Deutschland sehr gut anknüpfen können. 

DOMRADIO.DE: Die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren hat der Vatikan vor zwei Jahren noch ausgeschlossen. Nun kommt es anders. Ist das ein Verdienst des deutschen Synodalen Weges, der schon lange eine Reform der kirchlichen Sexualmoral fordert? 

Mock: Vielleicht konnten wir einen Beitrag dazu leisten. Das würde mich sehr freuen. Wir haben theologisch begründet, wir haben Argumente zusammengetragen und wir haben eine Neubewertung der Lebensbeziehung von Menschen angestoßen. Die Erklärung spricht nun von verschiedenen Anfragen und auch das ist gut zu hören. 

Birgit Mock

"Wir haben theologisch begründet, wir haben Argumente zusammengetragen und wir haben eine Neubewertung der Lebensbeziehung von Menschen angestoßen."

Vermutlich sind es Anfragen, die aus verschiedenen Ländern und vielleicht sogar verschiedenen Kontinenten gestellt wurden. Es sind Anfragen, die letztlich aus der ganzen Weltkirche kommen. 

An vielen Orten wird ja die Frage nach der pastoralen Begleitung von Paaren gestellt. Die Erklärung eröffnet jetzt auch die Möglichkeit, dass die Ortskirchen auf der ganzen Welt danach handeln können. 

DOMRADIO.DE: Kann der Vatikan dauerhaft bei seiner Linie bleiben, die Lehre in Bezug auf Ehe und Sexualität nicht zu ändern und nur das Verständnis des Segens pastoral zu erweitern? 

Mock: Wir haben in den letzten Monaten immer wieder Überraschungen aus Rom erlebt, sodass ich auch Hoffnung auf weitere Überraschungen habe. Für uns in Deutschland war es auf dem Synodalen Weg ganz klar, dass wir neben den pastoralen Handlungen auch ein neues theologisch-anthropologisches Denken über Sexualität auf den Weg gebracht haben. 

So haben wir letztlich zur einer veränderten Betrachtung von Paarbeziehungen gefunden. Für uns sind alle Menschen von Gott geschaffen und geliebt. Dazu gehört untrennbar die geschlechtliche Identität und die sexuelle Orientierung. Unsere Überlegungen zu den lehramtlichen Aussagen im Katechismus in Bezug auf Homosexualität haben wir nach Rom weitergegeben.

DOMRADIO.DE: Es haben sich schon einige Priester in den sozialen Netzwerken positiv zu dem Papier aus dem Vatikan geäußert oder haben zumindest gesagt, dass es ein Schritt in die richtige Richtung sei. Glauben Sie denn, dass der eine oder andere Diözesanbischof oder Weihbischof demnächst gleichgeschlechtliche Paare oder wiederverheiratete Paare segnen wird? 

Mock: Ich kann mir das sehr gut vorstellen! 

Das Interview führte Mathias Peter. 

Katholische Kirche erlaubt Segnung für homosexuelle Paare

Homosexuelle Paare können ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am Montag eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen. In dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) wird betont, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen.

Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia (dpa)
Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia ( dpa )