Wie US-Aktivistin Patrisse Cullors zum Sündenbock wurde

Black-Lives-Matter-Bewegung vor dem Zerfall

Die Geschichte von Patrisse Cullors ist verbunden mit dem Aufstieg einer neuen Bürgerrechtsbewegung. Vor zehn Jahren erlangte die Künstlerin mit dem Hashtag #BlackLivesMatter Weltruhm. Geblieben ist davon wenig.

Autor/in:
Thomas Spang
Demonstranten nehmen an einer Friedenskundgebung in den USA teil, nachdem ein Schwarzer durch einen Polizisten getötet wurde.  / © Andrew Dolph (dpa)
Demonstranten nehmen an einer Friedenskundgebung in den USA teil, nachdem ein Schwarzer durch einen Polizisten getötet wurde. / © Andrew Dolph ( dpa )

Die Bürgerrechtlerin Alicia Garza kommentierte 2013 den Freispruch für George Zimmerman im Prozess um den Tod des 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin mit dem schlichten Satz "Unsere Leben zählen". Ihre Mitstreiterin Patrisse Cullors griff ihn auf und schuf auf Twitter den Hashtag: #BlackLivesMatter.

Die damals 30 Jahre alte Künstlerin aus Los Angeles traf damit einen Nerv. Wie konnte es sein, dass ein junger Schwarzer straflos von einem Wachmann umgebracht wurde – wegen angeblicher Notwehr? Der Fall wurde zu einem prominenten Beispiel für Alltagserfahrungen von Schwarzen in den USA, die in erheblicher Zahl von überzogener Polizeigewalt und Rassismus betroffen sind.

 ©  imageBROKER/Jim West (epd)
© imageBROKER/Jim West ( epd )

Geburtsstunde einer neuen Protestbewegung 

Cullors' Hashtag markierte die Geburtsstunde einer neuen Protestbewegung, in der sich junge Afroamerikaner mit progressiven Landsleuten zusammenschlossen. Via Twitter und anderen Medien im Netz riefen die Aktivisten das "Black Lives Matter Global Network" mit vielen Zweigstellen ins Leben.

BLM sagte vor allem der Polizeigewalt den Kampf an. Bereits ein Jahr nach Gründung stand die Bewegung an der Spitze landesweiter Proteste, nachdem ein Polizist den 18-jährigen unbewaffneten Schwarzen Michael Brown unter fragwürdigen Umständen in Ferguson (Missouri) erschossen hatte.

Opfer von Polizeigewalt 

Ihren Höhepunkt erreichte die Bewegung 2020 nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis. Ein Video seiner Festnahme, das zeigte, wie ein Polizist dem am Boden liegenden 46-Jährigen mit dem Knie die Luft abdrückte, sorgte weltweit für Entsetzen. Dieser Vorfall verschärfte den Protest gegen Rassismus und radikalisierte die BLM-Bewegung. Es kam zu Massenprotesten in 140 Städten, die in Washington und anderen Orten in wütende Ausschreitungen umschlugen.

Parallel dazu nahm die Kritik an der Bewegung zu. Der damalige Präsident Donald Trump und die politische Rechte hielten ihr vor, für Gewalt auf den Straßen der USA verantwortlich zu sein. Später kamen Vorwürfe hinzu, die Gründer von Black Lives Matter hätten sich mit Spendengeldern selbst bereichert; allen voran Patrisse Cullors.

Bereicherung an Spendengeldern?

Der Sender Fox thematisierte den plötzlichen Reichtum der Künstlerin, deren Vermögen auf mehrere Millionen Dollar angewachsen war. Hinterfragt wurden auch die Luxusimmobilien-Käufe der als Marxistin auftretenden Frau, die sich bereits im Jugendalter als queer geoutet hatte. Beweise für strafrechtlich relevante Vorgänge fanden sich jedoch nicht.

 ©  Christian Ditsch (epd)
© Christian Ditsch ( epd )

Die Tochter einer alleinerziehenden Mutter mit acht Kindern schaffte es aus eigener Kraft nach oben. Sie studierte Religion und Philosophie, bevor sie sich als Künstlerin und Aktivistin einen Namen machte. Recherchen von "USA Today" zufolge basiert ihr Wohlstand auf mehreren lukrativen Einnahmequellen – darunter eine 2018 publizierte Autobiografie, die zum Bestseller wurde. Zudem erhielt sie üppige Honorare des Medienkonzerns Warner Brothers.

Lautstarke Kritik aus den eigenen Reihen 

Geschadet haben die Negativ-Berichte Cullors dennoch. Und sie schürten Misstrauen in den Reihen der Unterstützer, von denen einige lautstarke Kritik an der BLM-Führung übten. Angehörige von Opfern der Polizeigewalt warfen Cullors vor, den Kampf gegen Rassismus monopolisiert zu haben, um daraus Kapital zu schlagen. Cullors dementierte die Vorwürfe, trat aber als Geschäftsführerin zurück und begab sich in Therapie.

Ihr Rückzug hebt die gesellschaftliche Bedeutung der BLM-Bewegung in den zehn Jahren ihres Bestehens nicht auf. #BlackLivesMatter schuf ein Bewusstsein dafür, dass es sich bei Übergriffen der Polizei nicht um Einzelfälle, sondern ein strukturelles Problem handelt. Spätestens seit dem Tod George Floyds solidarisierten sich auch weiße US-Amerikaner mit den Betroffenen. Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport erhoben ihre Stimme.

Cullors hat mittlerweile, so scheint es, wieder ihren inneren Frieden gefunden: Im April eröffnete sie eine eigene Ausstellung im Broad-Museum von Los Angeles. BLM sei immer noch ein "Leuchtfeuer der Hoffnung", lautet ihr Fazit.

Black Lives Matter-Bewegung

Auf den "Black Lives Matter"-Kundgebungen demonstrieren auch viele Geistliche - darunter Bischöfinnen und Bischöfe - gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Mitte Mai kamen Tausende Menschen vor dem Weißen Haus zum Gebet für Gerechtigkeit zusammen. Dennoch unterscheidet sich der Protest von der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre, damals angeführt von Martin Luther King und weiteren Pastoren. Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd war am 25.

Black lives matter / © Alex Brandon/AP/dpa (dpa)
Black lives matter / © Alex Brandon/AP/dpa ( dpa )
Quelle:
KNA