Experten sehen TikTok als einen Zukunftsweg für die Kirche

Mit guten Inhalten beeinflussen

Der evangelische Kirchentag in Nürnberg setzt sich unter anderem mit der großen Zukunftsfrage der Kirche und der kirchlichen Botschaft auseinander. Dabei kann das soziale Netzwerk TikTok ein Lösungsversuch sein.

Autor/in:
Tim Helssen
Dr. Jürgen Pelzer und Kathrin Linz-Dinchel beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen (DR)
Dr. Jürgen Pelzer und Kathrin Linz-Dinchel beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen ( DR )

Das Medium TikTok könnte für die Kirche eine Revolution bedeuten – davon sind Kathrin Linz-Dinchel (Projekt Vernetzte Vielfalt) und Dr. Jürgen Pelzer (Diakoniekolleg Bayern) überzeugt. Dass die sozialen Medien unseren Alltag verändern und zu einem festen Bestandteil unserer Routinen gehören, ist bereits Realität. Ebenso gut können auch die Plattformen von den Nutzenden beeinflusst und verändert werden. Im Zentrum der Überlegungen steht TikTok, was nach heutigem Anschein, das größte Zukunftspotenzial hat.

Kathrin Linz-Dinchel und Dr. Jürgen Pelzer beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen  (DR)
Kathrin Linz-Dinchel und Dr. Jürgen Pelzer beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen ( DR )

Das Ziel müsste es sein, erklären Linz-Dinchl und Pelzer, diese starke Veränderung des Alltags durch die sozialen Medien in eine positive Richtung zu lenken. Der Glaube müsste eine deutlich stärkere Präsenz in den Medien erfahren, spirituelle Impulse sollten dominieren und dadurch andere Menschen inspirieren.

Kirche TikTok-tauglich machen

Innerhalb kürzester Zeit entwickeln sich Trends bei TikTok, die von vielen Nutzenden, auch von Kirchengemeinden, imitiert werden, haben die Experten festgestellt. Immer wieder merken die Gemeinden dann, dass die Reichweiten ihrer Inhalte gut sind, wenn sie genau diesen Trends folgen und kurze, lustige Videos drehen. Wenn sie jedoch ihre eigenen Themen bei TikTok präsentieren wollen, erreichen sie nicht ganz so viele Menschen, aber häufig mehr, als an einigen Sonntagen in der Kirche. Das Erfolgsrezept: die Inhalte so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten, um sich mit den Nutzenden auf Augenhöhe zu begeben.

Trotz aller Vorteile sollten TikTok und andere soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und WhatsApp aus Sicht der Fachleute, nicht blind verherrlicht werden. Ihr größtes Problem sei nach wie vor der Datenschutz. Jürgen Pelzer und Kathrin Linz-Dinchel hoffen, dass TikTok besser werde als die Konkurrenz.

Diese Ideen hatte ChatGPT

Während des Workshops wurde auch die Einschätzung der künstlichen Intelligenz "ChatGPT" eingebunden, die in erster Linie die enorme Reichweite von TikTok als Chance für die Verkündigung dargestellt hat. Vernetzung von Menschen könne ebenso leicht und deutlich schneller in den sozialen Medien gelingen.

Kathrin Linz-Dinchel und Dr. Jürgen Pelzer beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen (DR)
Kathrin Linz-Dinchel und Dr. Jürgen Pelzer beim evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg / © Tim Helssen ( DR )

Da TikTok immer mehr Einfluss erhalte, sollten die Nutzenden im Umkehrschluss auch das Medium mit positiven Inhalten beeinflussen. Laut ChatGPT ist das Evangelium eine Botschaft der Hoffnung, der Liebe und der Veränderung. Eine Veränderung sei auch in der Art und Weise erkennbar, wie in den sozialen Medien über religiöse Inhalte gesprochen werde, was bei TikTok am deutlichsten zu erkennen sei.

TikTok schon jetzt eine religiöse Plattform?

Jürgen Pelzer fällt in erster Linie auf, dass sich der gegenseitige Umgang bei TikTok deutlich von dem bei Facebook unterscheidet. Während die Kommentarkultur bei Facebook vielfach von Wut und Ärger geprägt ist, scheint die Netiquette bei TikTok selbstverständlicher zu sein. "Mit einzelnen Ausnahmen", ergänzt der Experte vom Diakoniekolleg Bayern.

Darüber hinaus scheinen die Nutzenden ein viel größeres Selbstbewusstsein zu haben, wenn sie in den sozialen Medien über persönliche Themen sprechen, die im Alltag wahrscheinlich nicht angesprochen werden. Warum also sollte nicht auch über den Glauben und die eigene Spiritualität gesprochen werden? Die sozialen Netzwerke und TikTok im Speziellen sind eine große Kontaktbörse, in der offensichtlich auch religiöse Gemeinschaften gesucht und gebraucht werden.

Quelle:
DR