Männerseelsorge befasst sich mit neuen Rollenbildern

"Keine toxische Männlichkeit mehr"

Das Bild des gefühlskalten Mannes sei von gestern, meint der Leiter der Arbeitsstelle Männerseelsorge, Andreas Heek. Heute wollten Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und auch die Kirche geschlechtergerechter gestalten.

 © Marco Rauch (dpa)
© Marco Rauch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind aktuell in Augsburg mit anderen Männern, die in Bistümern oder Verbänden Männerseelsorge machen. Was ist denn das genau und wo findet Männerseelsorge statt? 

Andreas Heek (Leiter der kirchlichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen): Die findet an ganz unterschiedlichen Orten statt. Die findet in der Gemeinde statt, aber meistens übergemeindlich oder auf Diözesanebene. Es sind Angebote für Männer in ganz unterschiedlichen Formaten.

DOMRADIO.DE: Was wäre denn so ein Format für Männerpastoral?

Heek: Es gibt beispielsweise ein klassisches Format für Väter und Kinder, also an Wochenenden oder auch eine ganze Woche lang sind Väter nur mit ihren Kindern unterwegs. Oder Männer pilgern auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela oder auf deutschen Wallfahrtswegen. Also das sind solche Formate, die vor allem Dingen draußen stattfinden und eben oft mit ihren Kindern zusammen.

Andreas Heek (Arbeitsstelle für Männerseelsorge)

"Eine nicht gesehene Wirklichkeit ist, dass es auch erwachsene Männer gibt, die missbraucht worden sind, sexuell und geistlich."

DOMRADIO.DE: Es gibt das Lied "Wann ist ein Mann ein Mann", in dem viele Facetten des Mann-Seins beschrieben werden. Was ist denn aus Ihrer Sicht Männlichkeit? Wie hat sich die katholische Perspektive darauf in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Heek: Die kirchliche Arbeitsstelle gibt es seit 60 Jahren und in dieser Zeit hat sich unglaublich viel verändert. Mit den gesellschaftlichen Veränderungen hat sich auch die katholische Männerarbeit verändert im Sinne einer egalitären und einer geschlechtersensiblen Arbeit, die die gesellschaftlichen Entwicklungen mitgemacht hat und an manchen Stellen sogar vorausgegangen ist. Ich darf daran erinnern, dass wir als Arbeitsstellen zwei maßgebliche Männer-Studien herausgebracht haben, in den 90er Jahren und in den 2000er Jahren. Da waren wir an manchen Stellen sogar Vorreiter, was man der katholischen Kirche sonst vielleicht nicht so unbedingt unterstellt.

Ukraine-Krieg - Selenskyj besucht befreite Gebiete in Ostukraine / © Leo Correa/AP (dpa)
Ukraine-Krieg - Selenskyj besucht befreite Gebiete in Ostukraine / © Leo Correa/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Durch den Krieg in der Ukraine sind wieder sehr traditionelle Rollenbilder präsenter geworden: Der Mann an der Waffe, die Frau bei Kindern und Alten. Inwiefern beschäftigt das Ihre Mitglieder?

Heek: Wir haben tatsächlich ja viel erreicht in dem Sinne, dass die Geschlechterbilder sich angleichen, also der Mann ist nicht der Harte und der Gefühlskalte, der abgehärtete Mann. Und jetzt gibt es diese Herausforderung des Krieges, und das beschäftigt unsere Männer schon sehr, das verwirrt sie, das verstört sie. Es gibt keine eindeutige Position dazu. Aber wir wollen bei unserer Nachdenklichkeit bleiben und uns letztendlich nicht hineinziehen lassen in ein altes Männerbild. Auch wenn viele Männer von uns sagen: Jetzt muss diesem Aggressor Widerstand geleistet werden. Aber nicht mit dieser toxischen Männlichkeit, wie viele das noch gelernt haben.

Andreas Heek (Arbeitsstelle für Männerseelsorge)

"Wir fordern auch eine Laien-Kirche, die mehr Macht bekommt und die mehr Einfluss hat auf das, was die Kirche in Zukunft werden soll."

DOMRADIO.DE: Wir beschäftigen uns ja auch in der katholischen Kirche viel mit dem Thema sexualisierte Gewalt. Inwiefern beschäftigten Missbrauch auch die Männerpastoral?

Heek: 80 Prozent der missbrauchten Kinder waren Jungen und die sind jetzt Männer. Und ich sage, dass wir deshalb nicht nur von Kindesmissbrauch sprechen, sondern dass diese Männer jetzt als erwachsene Männer genauso betroffen sind von diesen Verbrechen und diesem Skandal. Und eine nicht gesehene Wirklichkeit ist, dass es auch erwachsene Männer gibt, die missbraucht worden sind, sexuell und geistlich. Da gibt es eine riesen Tabuzone, besonders auch in den Ausbildungsstätten der Priesterseminare. Und das ist ein riesen Arbeitsfeld, das sind ganz dicke Bretter, die da gebohrt werden müssen.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche in Deutschland setzt sich gerade viel mit einer gleichberechtigten Kirche auseinander. Viele Forderungen kommen von den Frauenverbänden, aus der weiblichen Perspektive. Inwieweit trägt denn die katholische Männerarbeit zu einer geschlechtergerechten Kirche bei?

Heek: Fast alle Forderungen, die die Frauen an die Kirche stellen, unterstützen wir vollkommen und können nur sagen, dass wir auch als Männer diese Gleichberechtigung, die Gleichheit der Geschlechter befürworten. Allerdings - und das ist natürlich immer unsere Schwierigkeit - die meisten von uns in der Männerarbeit sind eben auch Laien und keine Priester. Und unsere Geschlechtsgenossen, die Priester, sind auch Männer. Und das bringt uns manchmal in eine Schwierigkeit, weil wir natürlich auch sagen, wir sind eine eigene Stimme in der Kirche und wir sind solidarisch mit den Frauen. Aber wir fordern auch eine Laien-Kirche, die mehr Macht bekommt und die mehr Einfluss bekommt auf das, was die Kirche werden soll in Zukunft.

Das Interview führte Tobias Fricke

Männerseelsorge im Erzbistum Köln

"Warum sind so wenig Männer da?“ Diese Frage stellen sich viele katholische Gemeinden: Im Gottesdienst und im gemeindlichen Ehrenamt bzw. im Engagement für die Pfarrei beteiligen sich zwar Männer, aber proportional zur Zahl der Frauen sind es eindeutig zu wenig Männer. Die Männerseelsorge im Erzbistum Köln sieht die Ursache in  der Atmosphäre, den Umgangsformen, Vorgehensweisen und Angeboten in den Pfarreien, die eher an den Interessen von Frauen ausgerichtet seien. 

Treffen Männer schneller Entscheidungen? (shutterstock)
Treffen Männer schneller Entscheidungen? / ( shutterstock )

 

Quelle:
DR