Frankreichs Bischöfe fordern Palliativ- statt Sterbehilfe

"Gibt es keinen anderen Ausweg?"

Frankreichs Bischöfe fordern eine flächendeckende Palliativversorgung im Land statt der Einführung von aktiver Sterbehilfe. Sie wollen das Leid der Menschen lindern und das Bedürfnis nach Beziehung und Nähe sichern, hieß es.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Symbolbild Fürsorge / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Fürsorge / © Harald Oppitz ( KNA )

Während der Corona-Krise habe die Gesellschaft "schwere Opfer gebracht, um 'das Leben zu retten', insbesondere der Schwächsten, manchmal sogar bis zur Überisolierung kranker oder älterer Menschen", erklärte der Ständige Rat der Bischöfe am Samstag in Paris. "Wie soll man das verstehen, dass nur wenige Monate nach dieser großen nationalen Mobilisierung der Eindruck entsteht, die Gesellschaft sehe keinen anderen Ausweg (...) für das Lebensende als aktive Sterbehilfe?"

Symbolbild Sterbehilfe / © NATNN (shutterstock)

Die Bischöfe verweisen auch auf die Nationale Ethikkommission (CCNE), die zuletzt erklärte, es sei "ethisch nicht vertretbar, eine Gesetzesänderung ins Auge zu fassen, wenn die im Bereich der Palliativpflege empfohlenen Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit nicht umgesetzt werden". Palliativversorgung müsse "vor jeder Reform" ausgebaut werden.

"Ihr Leiden muss gelindert werden"

In ihrer Ablehnung aktiver Sterbhilfe betonen die französischen Bischöfe: "Wir sind sensibel für das Leiden von Menschen, die am Ende ihres Lebens krank oder von schweren Erkrankungen sehr schwer getroffen sind. Wir nehmen die Not der Menschen um sie herum wahr, überwältigt von ihrem Leiden, sogar verzweifelt von einem Gefühl der Hilflosigkeit. Wir wissen sehr wohl, dass die Fragen von Lebensende und nahendem Tod nicht einfach zu händeln sind." Weiter heißt es: "Ihr Leiden muss gelindert werden - aber ihre Appelle drücken auch ihr Bedürfnis nach Beziehung und Nähe aus."

Palliativpflege, die "sowohl den Körper als auch die Beziehungen und die Umgebung des Kranken" berücksichtige, fördere seit Jahrzehnten "Solidarität und Brüderlichkeit in unserem Land", so der Appell der Bischofskonferenz. Allerdings fehle solche Versorgung noch immer in einem Viertel aller französischen Departements.

Breite Debatte über aktive Sterbehilfe

Mit Blick auf den Gesetzesvorstoß der Regierung für aktive Sterbehilfe schreiben die Bischöfe, die Frage des Lebensendes sei "so heikel, dass sie nicht unter Druck behandelt" werden könne. Es brauche ein geduldiges Anhören und Abwägen aller gesellschaftlichen Akteure, auch der Philosophie und der verschiedenen religiösen Traditionen. Dies sei "Bedingung für echte demokratische Urteilskraft".

Sterbehilfe / © Oliver Berg (dpa)
Sterbehilfe / © Oliver Berg ( dpa )

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zuletzt eine breite Debatte in der Bevölkerung angeregt. Ab Oktober solle ein sogenannter Bürgerkonvent das Thema bearbeiten. Zugleich sei vorgesehen, dass sich das Parlament erneut mit der Frage befasst. Als Ziel eine mögliche Gesetzesänderung bis Ende 2023 im Gespräch.

Die nationale Ethikkommission gab vor zwei Wochen erstmals grundsätzlich Grünes Licht für eine mögliche rechtliche Freigabe von assistiertem Suizid in einem klar abgesteckten Rahmen. Das Votum stellt einen starken Bruch mit seinen früheren Stellungnahmen dar; zuvor hatte sich das beratende Gremium stets gegen jede Beihilfe ausgesprochen.

Konservative und Kirche lehnen Liberalisierung vehement ab

Die Diskussion um ein selbstbestimmtes Lebensende ist in Frankreich seit 2020 neu entbrannt. Während konservative Abgeordnete und die katholische Kirche Liberalisierungen vehement ablehnen, setzt sich die Präsidentenpartei "La Republique en Marche" / "Renaissance"dafür ein. Allerdings kamen entsprechende Gesetzesänderungen in der abgelaufenen Legislatur im Parlament nicht zustande.

Bislang ist in Frankreich nur gesetzlich erlaubt, Todkranke am Lebensende dauerhaft zu sedieren und Apparate abzuschalten. Fälle von Schwerkranken, die sterben wollen oder deren Angehörige sie sterben lassen wollen, sorgen in Frankreich immer wieder für heftige Debatten.

Quelle:
KNA