Theologe Essen hält katholische Kirchenkrise für dramatisch

Modernisierung überfällig

Die Situation der römisch-katholischen Kirche ist nach Einschätzung des Berliner Theologen Georg Essen "ebenso brisant wie dramatisch". Die Lage habe auch Folgen für das öffentliche Wirken der Kirche in die Gesellschaft hinein.

Professor Georg Essen / © Dieter Mayr (KNA)
Professor Georg Essen / © Dieter Mayr ( KNA )

Auf der Basis ihrer Lehr- und Rechtsordnung gelinge es ihr nicht, "dem Freiheitsbewusstsein ihrer Gläubigen gebührende Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen", sagte Essen am Freitag in Berlin. Der Direktor des Instituts für Katholische Theologie (IKT) an der Humboldt-Universität sprach beim Auftakt einer Tagung über "Religionspolitische Reformperspektiven für die Kirchen".

Essen betonte, es sei kein Ausweg, "dass der religionsneutrale Staat hier in die Bresche springen soll". Staatliche Eingriffe in die inneren Angelegenheiten der Kirchen verböten sich wegen des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften. "Die überfällige Aufgabe einer Selbstmodernisierung muss die Kirche schon selbst leisten, die kann ihr niemand abnehmen - und schon gar nicht der Staat", so der Dogmatikprofessor.

Folgen auch in die Gesellschaft hinein

Die Lage der Kirche sei jedoch "nicht allein ein internes Problem der Kirche selbst, mit dem sie klarkommt oder auch nicht", räumte Essen ein. Sie habe auch Folgen für das öffentliche Wirken der Kirche in die Gesellschaft hinein.

Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz ( KNA )

"Kann eine Kirche wie die römisch-katholische für eine in die Krise geratene Demokratie eine Stütze sein, kann sie einen Beitrag zur Verlebendigung der politischen Identität leisten, kann sie das fragile Freiheitsbewusstsein von Bürgerinnen und Bürgern stärken, wenn es um ihre eigene Liberalitätskompetenz nicht zum Besten bestellt ist", fragte der IKT-Direktor. Dieses Thema "sollte den religionsneutralen und deshalb kooperationsoffenen Staat mehr umtreiben, als dies derzeit ersichtlich ist".

Essen äußerte die Vermutung, "die hartnäckige Weigerung der Kirche, dem Freiheitsbewusstsein der Moderne in ihrer inneren Verfassung angemessen Rechnung zu tragen", sei ein Indiz dafür, "dass sie in Zeiten der Krise jene liberale Demokratie nur halbherzig unterstützen wird, die ihr Gestaltungsräume eröffnet". Es gebe auch im Katholizismus Kräfte, "die für eine illiberale Demokratie, die für sie die wahrhaft christliche ist, eintreten und deshalb die antimodernistische Verschärfung suchen".

 

Quelle:
KNA