Vorige Woche waren wir an der Uni in Bonn. Eine Mitschwester hatte ihr Theologiestudium beendet und wir waren zur Absolventenfeier eingeladen. Nach einem sehr schönen Gottesdienst in einer Kirche in der Nachbarschaft sind wir in einen sehr großen Hörsaal geleitet worden. Wir saßen dort in großen Abständen mit Masken auf und haben die Feier verfolgt.
Einer der Doktoranden, der die beste Doktorarbeit geschrieben hatte, hat in seiner Rede aus seiner Abschlussarbeit zitiert und erläutert. In den ersten Minuten konnte ich noch ganz gut zuhören und verstehen. Aber nach und nach war seine Sprache so fachspezifisch, dass ich einfach nicht mehr folgen konnte und aufgegeben habe. Auf der Heimfahrt im Auto hat meine Mitschwester so begeistert von diesem Vortrag gesprochen, von seiner wundervollen Sprache, von seiner exakten Nutzung der Terminologie und der stringenten Hinführung zum Ergebnis seiner Forschungen. Da ist mir wieder aufgefallen, wie verschieden doch Gottes Gaben verteilt sind und welche Begeisterung sie auslösen. Eine andere Mitschwester kann mit großer Begeisterung von Zahlen und Daten erzählen, und ich könnte zum Beispiel vom letzten, mir so gut gelungenen Sonntagsmenü berichten.
Früher war ich bei solchen Erlebnissen manchmal neidisch, weil ich so etwas einfach nicht kann. Das kennen Sie vielleicht auch. Aber dann habe ich begriffen; nur wenn jede und jeder das einbringt, was sie und er supergut kann, dann wird die Welt voll und bunt, lebendig und spannend, und entwickelt sich weiter. Auch Familie und Gemeinschaft, Kirche und Unternehmen profitieren von den vielfältigen Gaben, die Gott seinen Geschöpfen gegeben hat. Es kommt darauf an, sie zu entdecken und zu entwickeln und fruchtbar zu machen für alle.
Wenn nur die begabtesten Vögel singen würden, wäre es sehr still im Wald, hat ein kluger Mensch mal gesagt. Tun wir also das, was wir besonders gut können, auch besonders gut, aber auch alles andere, was zu tun ist, damit es heute ein munterer und lebendiger und vielfältiger Tag in Gottes Schöpfung wird.