Sommerfotos zum Anhören: Was für ein Stress

Was für ein Stress

Das Foto ist vom Rücksitz, aus der Perspektive von kleinen Jungsaugen aufgenommen. Vor uns Stoßstange an Stoßstange. Über die scheppernde Brücke auf die Autofähre nach Dover geht es steil bergan. Vater und Mutter schauen angespannt. Was für ein Stress.

was für ein Stress / © Angela Krumpen  (ak)
was für ein Stress / © Angela Krumpen ( ak )

Mit Grauen erinnert mich das Foto, triggert mein schlechtes Gewissen: Jahr für Jahr mussten unsere Kinder unseren Anreise- und Packstress aushalten.

Stress, der unseren Charakteren und unserer Lebensweise geschuldet ist. Wochen auf einer einsamen Insel zu verbringen, braucht eine sorgfältige Vorbereitung: Von Buntstiften, über Sonnencreme und Regenhut – alles mussten wir mitnehmen. Auf der Insel gibt es nur ein Haus, keinen Strom, kein Trinkwasser und schon gar kein Geschäft. Was wir vergessen, ist definitiv vergessen. Das macht Druck.

Außerdem: Unser Haushalt ist, charmant gesagt, kreativ. Uncharmant gesagt, und unter Druck werde ich uncharmant: Wir sind ein chaotischer, unordentlicher Haufen in einem Haus, in dem viel zu viele Dinge gehortet, nicht gepflegt und schlecht gewartet werden. Darin zu packen macht Stress. Ich verstehe, warum meine Kinder die Tage vor dem Urlaub hassen.

Und dann der Reisestress. Ich darf gar nicht an letztes Jahr denken. In Calais wurden Fähre und Eurotunnel bestreikt. Überall großräumige Absperrungen. Feldwege, Dörfer, wir versuchen es auf immer neuen Wegen, aus immer neuen Richtungen. Endlich, unsere gebuchte Fähre hat lange abgelegt, schaffen wir es in einen Kreisverkehr in Hafennähe.

Die Autos vor uns schaffen auch die Ausfahrt zum Fähranleger. Aber als ich den Blinker setze, springt mir ein wütender Polizist im strömenden Regen mit erhobener Kelle vors Auto: "Allezallezallez" schreiend, schickt er uns in die entgegengesetzte Richtung. Galgenhumor springt in mein Hirn: Willkommen bei den Sch'tis!

"Willkommen bei den Sch'tis" – diesen hinreißenden Film über Nordfrankreich haben wir alle zusammen geschaut. Deswegen können wir jetzt auch zusammen lachen. Mein Mann reißt eh schon die ganze Zeit Witze über diese Anreise, die jeder Parabel von Kafka alle Ehre machen würde.

Zum Glück gibt es den auch, den Humor. Liegt als Gegengewicht in der anderen Waagschale unserer Familienatmosphäre.

Nein, wir sind keine Helden in Stressbewältigung. Dafür steht das von der Rückbank mit Kinderaugen eingefangene Foto. Daran sollten wir arbeiten.

Und uns dennoch gemeinsam auf den Urlaub freuen. Der wartet auf uns. Am Ende der Anfahrt.