Judith Hermann über „Aller Liebe Anfang“

Die lebenslange Unruhe

„Was fehlt uns, wenn wir alles haben, was wir uns gewünscht haben?“ fasst Judith Hermann im domradio.de Interview eine der zentralen Fragen ihres neues Romans „Aller Liebe Anfang“ zusammen: „Vielleicht ist das sowas, wie die Melancholie der Ankunft. Es ist alles da, und etwas fehlt.“

Judith Hermann / © Andreas Labes
Judith Hermann / © Andreas Labes

„Was wir wollten, ist das, was wir haben – Mann, Kind, Dach über dem Kopf, ein abgeschlossenes Leben“, schreibt Judith Hermanns Romanheldin Stella ihrer besten Freundin. Und doch spürt Stella eine unmäßige, lastende Trauer, eine Sehnsucht nach einem anderen Leben. Judith Hermann vermutet, dass diese Unruhe, die da immer wieder aufkommt, etwas sein könnte, was zum Leben dazugehört: „Also offene Fragen, Erwartungen, Sehnsüchte, die nicht zu befrieden sind, die einfach immer da sind.“

Eines Tages klingelt ein Fremder an Stellas Tür. Mister Pfister drängt sich in Stellas Leben. Er stellt Fragen, er bittet um ein Gespräch. Was harmlos beginnt, wird im Verlauf des Romans zur Katastrophe. Am Ende ordnet sich Stellas Leben neu. „Das ganze Leben ist ein Abgrund, und je weniger sie sich fürchten, je länger sie hineinschauen, desto mehr haben sie davon“, sagt Esther, eine alte Frau, die Stella als Altenpflegerin betreut. Judith Hermann erzählt in ihrem Roman auch von der Zerbrechlichkeit des Lebens und den kleinen Augenblicken des Glücks.

Im domradio.de Interview spricht Judith Hermann auch über Glück und Glauben. Mit einem kurzen und klaren „Ja “ beantwortet sie die Frage, ob sie an Gott glaube. „Das ist die schönste Antwort, die ich auf diese Frage kenne – und natürlich ist dahinter ein ganz großer Raum an Zweifeln und Fragen und Unwägbarkeiten“. Gleich nach dem domradio Interview ist Judith Hermann dann in den Dom gegangen, um dort eine Kerze anzuzünden: „Diese Dinge sind mir wichtig – das begleitet mich“, sagt sie.


Judith Hermann / © Andreas Labes
Judith Hermann / © Andreas Labes