Ein klein bisschen macht er an diesem Wochenende Pause, der Spätsommer, aber vorbei ist er noch nicht, die nächste Woche bringt noch einmal warme Tage. Es ist die Zeit des Übergangs, oder wie Tucholsky schreibt, die fünfte Jahreszeit:
„Wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat - dann ist die fünfte Jahreszeit. Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an (…) Es ist: optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre. Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit.“
Madonnenlilien jetzt setzen
An solchen Tagen wie diesen hat der Gärtner neben all der Ernte, die noch ansteht, vielleicht das Bedürfnis, auch schon wieder zu pflanzen für das kommende Jahr. Eine Blume gibt es, deren Zwiebel jetzt tatsächlich gesetzt werden sollte, eine Königin der Blumen, weißer als weiß: die Lilie.
„Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.“
… heißt es in der Bergpredigt. Ganz selbstverständlich war für Jesus die Lilie, sie wuchs zwischen Babylon und Mittelmeer schlichtweg auf dem Felde, von der Küste bis hinauf in die Berge in den heißen, trockenen und harten Lehmböden.
Die ausdauernde Madonnenlilie, Lilium candidum, wird bis zu 130 Zentimetern hoch. Anders als bei anderen Lilien sitzt ihre Zwiebel direkt unter der Erdoberfläche. Im Herbst bildet sie zur Überwinterung kleine spitze Laubblätter aus und gleichzeitig neue Wurzeln.
Wegen dieser neuen Wurzeln sollte die Lilie jetzt sonnig gesetzt werden, damit diese noch im Spätsommer anwachsen können. Und mit Hilfe von ein bisschen Winterschutz blüht sie dann im neuen Jahr: im Juni öffnet sie ihre weißen, strahlend weißen Trichterblüten mit ihrem einzigartigen intensiven Duft.
Gebärerin des Lichtes
Dieses Weiß und dieser Duft betörten über Jahrtausende die Menschen. Auf Kreta schon vor 5000 Jahren, im alten Ägypten, in Griechenland und Rom. Solange schon wird die Lilie kultiviert und von den Feldern Kleinasiens geholt, dass sie dort in der Urform gar nicht mehr wächst. Die Lilie war immer Symbol der Schönheit und Vollkommenheit, stand für Götter und besonders die Muttergottheiten, Gebärerin des Lichtes. Im Christentum wurde sie dann zum Symbol der Maria, die ihr den deutschen Namen gab: Madonnenlilie. Willfried Strabo, berühmter Abt des Klosters Reichenau und Verfasser des ersten deutschsprachigen Gartenbuches schrieb um 800:
„Doch der Lilie Glanz, wie kann in Vers und Gesange
würdig ihn preisen der nüchterne Klang meiner dürftigen Leier!
Abbild ist ja ihr Glanz von des Schnees leuchtender Reinheit. (…)“
Schon Gregor den Große verglich die Lilie mit der Seele des Menschen, die:
„(…) zur himmlischen Schönheit empor sprießt, an Leib und Seele das leuchtende Weiß bewahrt und den nächsten stärkt durch den Wohlgeruch des guten Beispiels.“
In ihrem Buch „Symbolik der Pflanzen“ trauert Marianne Beuchert der Lilie nach, mit der Kraft des christlichen Glaubens habe auch die Lilium Candidum ihre Lebenskraft verloren. Selten noch würde man im Juni einen großen Tuff in Blüte antreffen, neu gezüchtete Lilien asiatischer Herkunft beherrschten den Markt. Die aber duften ganz anders. Grund genug also, es mit der Madonnenlilie mal zu versuchen, ein bisschen Halt und Fürsorge braucht sie, und genau jetzt will sie in die Erde. Drei bis vier Euro kostet die Lilienzwiebel im Versand.