Jahrestagung des Cusanuswerks

Einheit, Vielfalt und Toleranz

Mit fast 1.800 Teilnehmenden hat die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk ihre bisher größte Jahrestagung veranstaltet. Die Versammlung zum Thema "Einheit in Vielfalt" musste pandemiebedingt größtenteils virtuell stattfinden.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Tablet / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Tablet / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Nur einige prominente Gäste, Stipendiatinnen und Stipendiaten waren am Wochenende am Tagungsort in Berlin. Bei seinem Festvortrag rief Altbundespräsident Joachim Gauck zu einer umfassenden und richtig verstandenen Toleranz auf. Als aktuelles Gegenbeispiel nannte er ein Verschweigen von Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit oder Homophobie unter Migranten oder Muslimen.

Dies halte er für gefährlich, auch wenn es ein richtiges Anliegen sei, Islam- und Ausländerfeindlichkeit entgegenwirken zu wollen. Doch falsch verstandene Toleranz könne hier genau das Gegenteil bewirken.

"Toleranz ist eine Zumutung"

"Toleranz ist eine Zumutung", ergänzte Gauck wörtlich: "Ich muss ertragen lernen, was ich nicht oder nicht vollständig gutheiße." Hier nannte er - ohne die AfD beim Namen zu nennen - "eine Partei rechts der Mitte, deren Inhalte ich nicht teile". Er habe keinen Respekt und auch einen großen Widerwillen gegenüber der Partei, "aber ich toleriere sie". Eine absolute Grenze des Tolerablen sei allerdings erreicht, "wo Menschen in Hass abdriften, die Rechtsordnung missachten oder die Würde jedes Menschen verachten".

Der Münchner Soziologe Armin Nassehi plädierte für eine offenere und "taktvollere" Debattenkultur in Deutschland. Denn derzeit beobachte er, dass manche Gruppen lieber unter sich blieben. Mit anderen Meinungen und Denkweisen wollten sie sich oft gar nicht erst auseinandersetzen. Allenfalls würden Andersdenkende angefeindet oder abqualifiziert.

Warnung vor zu viel "Einheit"

Zum Tagungsthema "Einheit in Vielfalt" warnte der Soziologe vor einem Streben nach allzu viel Einheit. Denn Gesellschaften mit besonders viel Einheit und Zusammenhalt seien meist eher autoritär, und "in denen wollen wir doch lieber nicht leben".

Der Münsteraner katholische Weihbischof Christoph Hegge rief die Stipendiatinnen und Stipendiaten auf, sich trotz aller Krisen, Fehler und Skandale nicht vom Engagement für Kirche und Gesellschaft abbringen zu lassen. Denn diese "brauchen Brückenbauer, brauchen Menschen, die Lagerdenken überwinden und Versöhnung unterstützen".

In Zeiten des Umbruchs mit wachsender Verunsicherung und Gereiztheit werde mitunter statt auf Dialog auf Stigmatisierung und Ausgrenzung gesetzt, warnte der Leiter des Cusanuswerks, Professor Georg Braungart. Demokratie brauche aber eine "Vielfalt, die diesen Namen verdient. Sie braucht Impulse zur inhaltlichen Differenzierung und zu werteorientiertem Handeln von Menschen in Schlüsselpositionen."

Auszeichnung für acht innovative Schulprojekte

Im zum Abschluss aus Luxemburg übertragenen Festgottesdienst rief Kardinal Jean-Claude Hollerich allen Cusanern zu: "Werden Sie Förderinnen und Förderer von Einheit, aber auch von Vielfalt, in Kirche und Gesellschaft. Hierfür braucht es vor allem eine Haltung der Ehrfurcht - Ehrfurcht vor der Besonderheit des anderen."

Bei der Tagung zeichnete das Cusanuswerk außerdem insgesamt acht besonders innovative Schulprojekte aus. Dazu gehörten unter anderem ein Musicalprojekt, ein Inklusionskonzept sowie die Weiterentwicklung von Möglichkeiten des Homeschoolings für Kinder mit Behinderung.

Die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk ist das Begabtenförderungswerk der katholischen Kirche in Deutschland. Es hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 10.000 hochbegabte katholische Studierende und Promovierende gefördert.


 

Jean-Claude Kardinal Hollerich / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Jean-Claude Kardinal Hollerich / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA