Ägyptens Ex-Diktator mit 91 Jahren gestorben

Mubarak war nur die Gallionsfigur der Armee

Politisch war er seit 2011 ein toter Mann, nun ist Hosni Mubarak endgültig Vergangenheit. Am Dienstag starb der frühere Machthaber Ägyptens im Alter von 91 Jahren. Nur wenige Ägypter dürften ihm eine Träne nachweinen.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Ägyptens Ex-Machthaber Husni Mubarak gestorben / © Dennis Brack (dpa)
Ägyptens Ex-Machthaber Husni Mubarak gestorben / © Dennis Brack ( dpa )

In einer Reihe mit Pharaonen und Sultanen wollte Hosni Mubarak in die Geschichtsbücher eingehen. Doch die Welt dürfte Ägyptens Ex-Präsidenten anders in Erinnerung behalten: als gestürzten Despoten, bettlägerig in einem Käfig vor Gericht. Auch wenn Justizurteile wegen Bereicherung und Menschenrechtsverletzungen milde ausfielen und er nur wenige Jahre in Haft saß - seine letzte Lebensphase, gedemütigt und von seinem Volk verachtet, dürften für den Greis eine Strafe gewesen sein. Für die Ägypter war der 2011 verjagte Diktator längst eine politische Mumie. Doch ihr Fluch lastet weiter auf Ägypten. Am Dienstag starb der Ex-Diktator, der seine letzten Jahre überwiegend in einem Kairoer Militärkrankenhaus verbrachte, mit 91 Jahren.

Für den Machterhalt war kein Wahlbetrug zu dreist

Maximal sechs Jahre Zeit solle ein Präsident für Reformen bekommen, sagte Mubarak im Januar 1982 dem "Spiegel", drei Monate nach Amtsantritt. Daraus wurden drei Jahrzehnte Autokratie. Für den Machterhalt war dem "Rais" und seiner Staatspartei NDP kein Wahlbetrug zu dreist. Seine Bilanz: Armut, Polizeiwillkür, Folter, Korruption, gesellschaftliche Islamisierung und Arbeitslosigkeit. Sie lähmen das Land bis heute.

Allerdings war der Ex-Präsident bei allen persönlichen Fehlern auch ein Getriebener seiner eigenen Machtbasis, gibt Andreas Jacobs zu bedenken, langjähriger Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo. "Mubarak war nur das Gesicht für ein ganzes System, hinter dem weiter die Armee steht. Sie ist der eigentliche Diktator Ägyptens." Wie seine Vorgänger Nasser und Sadat stammte auch Mubarak aus dem Offizierskorps. Ihm verdankte der 1928 in einem kleinen Dorf im Nildelta geborene Mubarak seinen Aufstieg vom Jetpiloten zum Vizepräsidenten, und nach Sadats Ermordung durch islamistische Terroristen 1981 an die Spitze des Staates.

"Rais" verlängerte immer wieder den Ausnahmezustand

Die Armee wollte nach dem Krieg gegen Israel 1973 versorgt sein. Sie hat Ägyptens Wirtschaft gekidnappt, und Mubarak ließ die Generäle gewähren, wenn sie Unternehmen und Grundbesitz an sich rafften. Jacobs: "Wenn Sie als Tourist nach Ägypten fliegen, dann landen Sie meist auf einem Flughafen, der von der Armee betrieben wird; fahren mit einem Busunternehmen, in dem Offiziere das Sagen haben. Der Fahrer tankt an einer Tankstelle, die wahrscheinlich dem Militär gehört, und schließlich steigen Sie in einem Hotel ab, an dem vermutlich die Armee verdient."

Dass Mubarak und sein Clan sich selbst prächtig die Taschen füllten, war immer bekannt. Das verästelte System seiner Kleptokratie von Schweizer Konten bis zu weltweitem Immobilienbesitz lässt keine genaue Vermögensschätzung zu - sie gehen von 2 bis 70 Milliarden Euro. Einiges wurde nach seinem Sturz eingefroren, doch für ein sattes Erbe an die Nachkommen dürfte es reichen.

Die zweite Krake in Mubaraks Staat, die allgegenwärtige Geheimpolizei, konnte auch deshalb so brutal walten, weil der Rais den Ausnahmezustand nach dem Sadat-Attentat immer wieder verlängerte. Während seine Folterknechte den islamistischen Terror gegen das Regime niederhielten, förderte Mubarak zugleich die Islamisierung der Gesellschaft. Damit hoffte er der oppositionellen Muslimbruderschaft den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Justiz und Verwaltung wurden islamisch durchklimatisiert

Noch in den 70er Jahren musste man das Kopftuch auf Klassenfotos Kairoer Mädchenschulen mit der Lupe suchen. 30 Jahre später beherrschte es das Straßenbild. Justiz und Verwaltung wurden islamisch durchklimatisiert. Zu den Leidtragenden dieser Entwicklung zählten auch die christlichen Kopten, deren Diskriminierung unter Mubarak systematisch wurde.

Der Präsident selbst fiel nicht durch Frömmigkeit auf. Mal ein öffentliches Gebet, mal eine Koranlesung vor laufenden Kameras, gern aber auch ein Glas Wein - das war der Mann, der die Scheichs der einflussreichsten islamischen Lehrstätte, der Kairoer Al-Azhar-Universität, persönlich bestimmte. Vom Gelehrten-Establishment hatte er daher kaum Widerspruch zu erwarten.

Im Westen galt der Dauerpotentat als Stabilitätsgarant, der den Frieden mit Israel einhielt und den Terrorismus bekämpfte. Aus den USA flossen Milliarden für die Rüstung; auch die Bundesrepublik stützte die Diktatur am Nil mit Entwicklungshilfe. "Die westlichen Regierungen hätten deutlicher auf die Menschenrechte pochen müssen", urteilt Jacobs.

Am Ende übernahmen das die Ägypter selbst. Die Revolution von 2011 feierte einen kurzen Triumph - von Gnaden der Generäle. Der Hass auf den Präsidenten war zur Bedrohung für den Machtanspruch der Militärs geworden. Fast über Nacht ließen sie Mubarak fallen. Doch es fiel nur eine Gallionsfigur. An der Brutalität des Regimes hat das so wenig geändert wie an der ökonomischen Perspektivlosigkeit der Ägypter.


Quelle:
KNA