DOMRADIO.DE: Wie haben das Unglück damals erlebt?
Bernhard Spieß (Pfarrer in Ramstein): Ich habe das Ganze aus den Medien erfahren. Ich war damals noch in Bayern. Es war ja zur Ferienzeit. Ich war auf einer Freizeit und habe das eher zufällig über die Radionachrichten erfahren.
DOMRADIO.DE: Wir sind jetzt seit vier Jahren Pfarrer in Ramstein. Sie wurden aus dem Kreis der Hinterbliebenen gefragt, ob sie die heutigen Gedenkveranstaltungen mit einem ökumenischen Gottesdienst begleiten könnten. Wie sind Sie als Pfarrer mit dieser Bitte umgegangen?
Spieß: Ich find es gut, wenn Menschen kommen und Gott und die Beziehung zu Gott in ihre Überlegungen für die Lebensbewältigung mit einplanen. Ich war gerne bereit, die große Kirche in Ramstein zur Verfügung zu stellen und zusammen mit dem evangelischen Kollegen diesen Gottesdienst gestalten. Wir saßen schon vor fast einem Dreivierteljahr das erste Mal zusammen. Dann macht man sich Gedanken.
Es gibt aus den vergangenen Jahren ein gewisses Prozedere. Es wurden immer 70 Kerzen für die direkt Umgekommenen aufgestellt. Ich habe gesagt, dass wir das selbstverständlich wieder machen. Dieses Mal wurden die Kerzen von den Pfadfindern in Ramstein beschriftet.
Als nächstes fragten wir uns, was für ein Schrifttext passt denn? Mir kam dann ganz spontan die Stelle in den Sinn, als der Auferstandene den Jüngern erscheint im Abendmahlsaal. Thomas ist nicht dabei, und er glaubt anschließend die Geschichte nicht. Er bekommt dann die Wundmale in der Woche darauf gezeigt. Ich hatte sofort eine Assoziation, nämlich die Wichtigkeit der Geschichte. Dass Gott in und durch die Geschichte handelt, wenn er dann die Heilungen gewährt. An diesen Wundmalen, die dann Jesus dem Thomas anbietet zu berühren, gibt er mir die Chance, die Geschichte zu begreifen.
DOMRADIO.DE: Es gab ja auch in den vergangenen Jahren immer wieder Gedenkfeiern zu diesem traurigen Ereignis. Betroffene und Hinterbliebene haben jetzt aber angekündigt, dass dies wahrscheinlich die letzte offizielle große Gedenkfeier sein wird. Nach 30 Jahren geht es einigen auch gesundheitlich nicht mehr so gut. Das heißt, sie begleiten heute Menschen, die vielleicht auch Abschied von ihrer Trauer nehmen wollen?
Spieß: Menschen, die zumindest an einen gewissen Punkt kommen, wo sie dann sagen, es geht einfach nicht so weiter. Der Gedenkstein bleibt natürlich, um dorthin zu fahren. Aber eine Feier in diesem Maßstab fortzuführen, wird wohl auch nicht mehr gelingen. Auch wegen der zeitlichen Distanz. Wobei das schwierig ist zu sagen. Wenn man daran zurückdenkt und erinnert wird, kommt immer wieder dieser Moment der Traurigkeit, diese Tiefe der Gefühle, die auch unbedingt zum Menschsein dazugehören und denen wir auch Raum geben müssen.
Das Interview führte Tobias Fricke.