Zugleich weisen die Initiativen auf die Rechtslage hin, nach der es in Deutschland kein Recht auf Abtreibung gibt, auch wenn dies in der öffentlichen Diskussion oft so dargestellt werde.
Im konkreten Fall geht es um Thomas Börner, den Chefarzt der Gynäkologie an einer Klinik im niedersächsischen Dannenberg. Er hatte angekündigt, dass es dort keine Abtreibungen mehr geben solle, außer nach einer Vergewaltigung oder wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel stehe. Börner hatte dies mit seinem christlichen Glauben begründet und darauf verwiesen, dass laut Gesetz niemand zur Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet werden könne.
Lebensrecht Ungeborener
Der Verwaltungsdirektor der Klinik hatte betont, er unterstütze die Entscheidung. Nach zum Teil heftiger Kritik hatte daraufhin die Leitung des übergeordneten Klinikkonzerns erklärt, Börners persönliche Haltung sei zwar zu respektieren, aber er dürfe sie nicht zum Maßstab für die ganze Klinik machen. Dort müssten auch weiterhin Abtreibungen im Anschluss an die gesetzlich vorgeschriebene Beratung möglich sein. Es gebe Gespräche zur Lösung der Angelegenheit, hieß es weiter. In einigen Medienberichten war die Rede von einer möglichen Trennung.
Der Bundesverband Lebensrecht (BVL) stellte sich am Donnerstag hinter den Arzt. Er hoffe, dass dessen Haltung viele Nachahmer finde, erklärte der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann. Zugleich nannte er es "tragisch", dass "viele Menschen dem tödlichen Irrtum verfallen sind, es gebe ein Recht auf Abtreibung". Lohmann forderte außerdem alle Parteien zu einer neuen Debatte über das Lebensrecht Ungeborener auf.
"Unkontrolliertes Massenphänomen"
Aus Sicht der Deutschen Evangelischen Allianz ist es bei rund 100.000 registrierten Abtreibungen pro Jahr "offensichtlich", dass es "nicht mehr um außergewöhnlich begründete Notsituationen geht". Hier sei ein "unkontrolliertes Massenphänomen" eingetreten, heißt es in einer Erklärung vom Donnerstag.
Jetzt müsse die "längst überfällige Überprüfung" folgen, die das Bundesverfassungsgericht schon 1993 gefordert hatte. Entgegen der Rechtslage sei "die Abtreibungsmentalität so fest in unserem Volk verankert, dass jedes Nein dagegen zu einer öffentlichen Entrüstung führt". Wer von einem Recht auf Abtreibung rede, stelle sich gegen die geltenden Gesetze.
Lob von allen Seiten
Auch die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) und die Christdemokraten für das Leben (CDL) hatten am Mittwoch die Haltung des Arztes gelobt und betont, dass Abtreibungen nicht als normale "Gesundheitsdienstleistung" anerkannt werden dürften.
In Deutschland sind Abtreibungen rechtswidrig, bleiben aber in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei, wenn sich die Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff beraten lässt. Ausnahmen gibt es nach Vergewaltigungen und bei medizinischer Indikation, also wenn bei Fortsetzung der Schwangerschaft die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren stark gefährdet wäre.
Arzt verlässt Klinik
Dennoch werden an der Klinik im niedersächsischen Dannenberg weiterhin Abtreibungen nach der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung durchgeführt. Das teilte der Klinikkonzern Capio am Donnerstag in Fulda mit. Der bisherige Chefarzt der Abteilung werde "wie bisher aus persönlichen Gründen nicht an diesen Operationen beteiligt", hieß es. Zudem werde er "mittelfristig" auf eigenen Wunsch die Klinik verlassen. Andere erfahrene angestellte Ärzte für Gynäkologie würden die Abtreibungen dort durchführen.
Der Klinikkonzern Capio erklärte nun, er akzeptiere die persönliche Entscheidung des Arztes. Als "weltanschaulich neutrale Einrichtung" sei das Krankenhaus aber zu allererst "dem gesundheitlichen Wohl und dem gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen verpflichtet". Die jetzt vorliegende Regelung sei "einvernehmlich mit allen beteiligten Ärzten" beschlossen worden.