domradio.de: In Ihrem Bericht heißt es, Korruption fördert den Zulauf für die Populisten, einerseits. Andererseits würden Populisten, die gerade weltweit auf dem Vormarsch sind, die Korruption noch verschlimmern. Nun geben Populisten - etwa von der AfD - gerne vor, gegen das politische "Establishment" zu kämpfen?
Prof. Edda Müller (Vorsitzende von Transparency International.): Wir erleben das in den USA. Dort wird von Populisten eine zu starke Nähe zwischen Wirtschaft und Politik kritisiert, während sie sich selber als Saubermänner darstellen.
Auch in unseren Befragungen stellen wir fest, dass einer großen Zahl von Menschen in Deutschland die Nähe zwischen Regierungen, Politikern und bestimmten Wirtschaftskreisen zu eng ist. Das könnte natürlich dazu führen, dass wir auch hier den Populisten Nahrung geben. Deshalb sagen wir den Regierungen: Ihr müsst den Lobbyismus stärker regulieren, Ihr müsst transparenter sein, bei dem was ihr tut.
domradio.de: Haben Sie da ein Beispiel?
Prof. Edda Müller: Zum Beispiel bei dem Konsultationsverfahren …
domradio.de: … das ist ein Teil des Gesetzgebungsverfahrens der EU in den Bereichen, in denen das Europäische Parlament noch keine Mitentscheidungsbefugnis hat …
Prof. Edda Müller: Da ist es gut, wenn transparenter gemacht wird, wer dabei angehört wird und wer nicht, und welche Interessen in die Gesetzgebungsverfahren eingeflossen sind.
domradio.de: Der neue US-Präsident Trump hat auch den Wahlkampf damit betrieben und angekündigt, den "Sumpf trockenzulegen" - also Korruption zu bekämpfen. Was lässt Sie daran zweifeln?
Prof. Edda Müller: Ganz offensichtlich hat er in seinem Beraterteam Leute aus der Wirtschaft. Man hat das Gefühl, dass er den demokratischen Staat wie ein Unternehmen führen will. Zum Beispiel nimmt er den Chef einer der größten Erdölfirmen mit in die Regierung, oder Leute von der Wall Street werden in Fragen des Finanzmarktes zuständig. Das ist nicht gerade ein Beispiel, dass er Distanz zu Wirtschaftskreisen aufbauen will - sondern genau das Gegenteil.
domradio.de: Wo rangiert denn Deutschland in Ihrem Korruptionswahrnehmungsbericht?
Prof. Edda Müller: Wir sind im internationalen Vergleich auf Nummer zehn. Das ist natürlich nicht schlecht, aber wir stagnieren auf diesem Platz. Die Bundesregierung hat unseren Korruptionsbericht als Indikator aufgenommen. Sie wollen messen, wie sich die Gesellschaft entwickelt, wie integer wir wahrgenommen werden - im eigenen und in anderen Ländern. Deshalb müssen wir sagen, da muss ein wenig nachgelegt werden.
domradio.de: Inwiefern?
Prof. Edda Müller: Da müssen wir über Lobbyismuskontrolle sprechen. Da geht es unter anderem auch um Sport. Wir sagen, die Regierung darf nicht länger zuschauen, dass die Verbände - gerade auch im Fußballbericht – bei Korruption und Spiel-Manipulation erhebliche Probleme aufwerfen. Stattdessen sollten klare Botschaften gesendet werden.
Es bringt nichts darauf zu warten, dass die FIFA eines Tages integrer wird. Es sollten für saubere, korruptionsfreie Spiele Bedingungen an Fördermittel geknüpft werden. Für saubere, korruptionsfreie Spiele.
domradio.de: Dänemark, aber auch Neuseeland und Finnland, liegen auf den ersten Plätzen, also da schätzen Sie die Korruption als am wenigsten verbreitet ein. Was machen die besser als alle anderen?
Prof. Edda Müller: Länder mit guten demokratischen Strukturen oder, die offen mit Steuern und internen Regierungsprozessen umgehen, die schaffen und genießen ein hohes Vertrauen in ihrer Bevölkerung. Dazu zählen aber auch kleine Länder, in denen die soziale Kontrolle sehr stark ist. Das heißt: Wenn meine Nachbarn oder Geschäftspartner erfahren, dass ich möglicherweise in einer Korruption verwickelt bin, dann verliere ich nicht nur mein Geschäft, sondern auch meine Ansehen.
Wir glauben, dass die spezielle Struktur dieser Länder ganz erheblich dazu beiträgt, dass sie nach wie vor in unserem Ranking immer sehr weit oben eingestuft werden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.