Das Inferno begann harmlos, nahe dem Themse-Ufer, in einer königlichen Backstube in der Pudding Lane. Offenbar hatte Bäcker Thomas Farynor (lateinisch "farina"= Mehl) am Abend eine kleine Restglut im Ofen übersehen. Mitten in der Nacht jedenfalls stand seine Stube hell in Flammen. Die Familie konnte fliehen, doch die Dienstmagd wurde das erste Todesopfer einer Katastrophe, die vor 350 Jahren das mittelalterliche London vernichtete.
Vier Fünftel der Londoner City zerstört
Die Bilanz: Zwischen dem 2. und 6. September 1666 wurden vier Fünftel der Londoner City zerstört. 13.200 Häuser, darunter 87 Pfarrkirchen und die alte St. Paul's Cathedral, wurden Opfer der Flammen, 70.000 bis 80.000 Bewohner obdachlos. So groß war das Desaster, dass ein Wiederaufbau Londons an anderer Stelle in Erwägung gezogen wurde. Auch König Karl II. (1649/60-1685) sprach sich dafür aus. Er befürchtete eine Rebellion der verarmten Opfer der Katastrophe.
Schon in den 1660er Jahren war London die mit weitem Abstand größte Stadt der Britischen Inseln mit rund einer halben Million Einwohnern. Seit der römischen Gründung organisch gewachsen, bestand die Kernstadt zumeist aus eng aneinanderstehenden Holzhäusern - die in den oberen Stockwerken immer weiter auskragten und also noch näher zusammenrückten. Dies sollte sich beim Brand als Kamineffekt fatal auswirken. Mehrere königliche Bauvorschriften, die explizit auf die Feuergefahr hinwiesen, wurden über Jahre von der Stadtverwaltung ignoriert.
Die Innenstadt mit ihrem These-Hafen und ihren Märkten war lärmig, geschäftig - und ungesund. Noch mehr als zuvor mieden der Hof, die Reichen und die Aristokratie die "City" seit dem Ausbruch der Beulenpest 1665, die rund 80.000 Menschenleben gefordert haben soll. Die Wohlhabenden wichen aufs Land aus oder lebten im heutigen "West End" in der Umgebung des Königspalasts von Whitehall.
Ein weiterer Antagonismus zwischen Stadt und Krone: Die Londoner City war im Bürgerkrieg (1642-1651) eine Hochburg des Republikanismus gewesen, und die städtischen Magistrate hatten dem König in den frühen 60er Jahren mehrfach vor Augen geführt, dass sie der Monarchie im Ernstfall noch durchaus gefährlich sein könnten. Königliche Truppen in der City - das wäre der Casus belli gewesen.
"Eine Frau könnte das auspinkeln"
Auch das sollte in den ersten Septembertagen vor 350 Jahren verhängnisvoll werden. Es zeigte sich nämlich, dass die Oberen der Stadt die Lage lange Zeit völlig verkannten. Von Bürgermeister Thomas Bloodworth ist überliefert, er habe nach einer nächtlichen Besichtigung erklärt, ein solches Feuer könne doch "eine Frau auspinkeln", und sei wieder schlafen gegangen.
Tatsächlich zögerte er, noch intakte Häuser einzureißen, um ein Übergreifen des Feuers zu verhindern - wie es damals bei der Brandbekämpfung üblich war. Historiker weisen allerdings darauf hin, dass der Bürgermeister dafür nach geltendem Recht die Genehmigung des Königs gebraucht hätte; anderenfalls haftete er mit seinem Privatvermögen für die Zerstörung von Privateigentum.
Unterdessen hatten die Flammen die Lagerhäuser an der Themse erreicht, wo Kohle- und Holzvorräte, Öl, Teer, Pech und Weinbrand sie weiter anheizten. Die Straßen waren zu eng zum Löschen, rettende Wasserleitungen aus Holz an vielen Stellen geborsten. Als endlich die königlichen Truppen eingriffen, war es bereits zu spät: Das Feuer raste schneller voran, als man hätte Schneisen schlagen können. Die Schlacht war verloren. Archäologen des Museum of London fanden zuletzt heraus, dass die Temperatur in der Pudding Lane bis auf 1.700 Grad stieg. Vom Dach der alten Paulskathedrale floss in Strömen geschmolzenes Blei. Die Bevölkerung floh in die Vorstädte.
"Papisten" unter Generalverdacht
Nachdem der Brand am 6. September endlich eingedämmt war, musste ein Schuldiger her. Die üblichen Verdächtigen gerieten in Verdacht: die Jesuiten. Wohl unter Folter gestand ein zugereister Franzose, ein Uhrmacher, er habe das Feuer im Auftrag des Papstes gelegt. Er starb am 28. September nach kurzem Prozess am Galgen. Später stellte sich heraus, dass er überhaupt erst zwei Tage nach der Katastrophe in London eingetroffen war.
Auf Initiative von Karl II. wurde an der Fish Street nahe der Pudding Lane ein 61 Meter hohes Monument zur Erinnerung an den Großen Brand errichtet. Auf einer 1668 angebrachten Tafel hieß es: "Hier brach, mit Erlaubnis des Himmels, die Hölle über dieser protestantischen Stadt aus (...), angezettelt und ausgeführt durch Verrat und Tücke der Papisten. (...) Der papistische Rausch, der solche Schrecken brachte, ist bis heute nicht gestillt." Die Plakette wurde erst 1830 entfernt.
Es spricht vom guten Sinn der heutigen Londoner Stadtverwaltung, dass derzeit die erste Holzkirche seit dem "Great Fire" entsteht, just zum 350. Jahrestag. Das Gotteshaus im nördlichen Stadtteil Finchley soll den rund 5.000 weißrussischen Katholiken der Metropole als geistliches Zentrum dienen und bis Herbst fertig sein. Dank einer speziellen chemischen Beschichtung des Holzes, so heißt es, sollte heute keine Brandgefahr mehr bestehen.