DOMRADIO.DE: Am Anfang waren es ja überwiegend junge Männer auf der Flucht, dann kamen mehr und mehr Frauen und Kinder dazu. Gibt es Schätzungen, wie viele zur Zeit unterwegs sind?
Barbara Küppers (Leiterin Referat Kinderrechte, terre des hommes Deutschland): Wir schätzen, dass im Moment auf der Balkanroute ungefähr 80 Prozent der Flüchtenden Frauen und Kinder sind. Weltweit ist ein Viertel der 60 Millionen Flüchtlinge Frauen. Die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind Kinder, als Mädchen und Jungen unter 18 Jahren.
DOMRADIO.DE: Schlepper und Schleuser verlangen ja viel Geld für die Flucht, das wissen wir. Machen die aber einen Unterschied, ob es sich um Männer handelt, oder um Frauen und Kinder?
Küppers: In den Preisen offensichtlich nicht. Was wir aber immer wieder hören, in den vielen Projekten, die wir entlang der Fluchtrouten und in Krisenregionen haben, ist eine ganz große Gefahr: Wenn Schlepper Menschen in ihrer Gewalt haben - sie müssen sich ja komplett auf den Schlepper verlassen, wissen manchmal gar nicht, wo sie sind - vergewaltigen sie manchmal Frauen, Mädchen und übrigens auch Jungen. Das ist ein ganz großes Tabu. Sie sind also als Flüchtender wirklich auf den Goodwill dieser Schlepper angewiesen, und der ist leider oft nicht da.
DOMRADIO.DE: ..und dann sind die Frauen möglicherweise an Land, sind in der vermeintlichen Sicherheit, aber dann drohen weitere Gefahren...
Küppers: Es ist so, dass Frauen überhaupt nicht darüber sprechen dürfen, wenn ihnen zum Beispiel auf der Flucht Gewalt angetan wurde. Das ist natürlich eine ganz große Belastung, auch für das weitere Leben, für Integration und dafür, sich dann irgendwann wieder irgendwo sicher und wohl zu fühlen.
Das Interview führte Tobias Fricke.