Pax Christi kritisiert Wechsel von Ex-Minister Niebel

Entwicklungshilfe für Rüstungsindustrie

Jobwechsel von der Politik in die Wirtschaft sorgen meist für Gegenprotest. Dass ein früherer Minister für die Rüstungsindustrie anheuert, sorgt für besonders harsche Kritik. Die katholische Friedensbewegung ist entrüstet.

2010: Dirk Niebel (dpa)
2010: Dirk Niebel / ( dpa )

"Sucht der Konzern einen gut vernetzten Entwicklungshelfer für seine Rüstungsexportgeschäfte mit Entwicklungsländern?", fragt Pax Christi in einer Stellungnahme. Die Berufung des früheren Bundesentwicklungsministers habe allemal einen "fahlen Beigeschmack", so Pax Christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann weiter. Laut Rheinmetall soll Niebel ab Januar 2015 den Konzernvorstand beraten. Dabei gehe es um internationale Strategieentwicklung und Beziehungen zu Regierungen in aller Welt.

Niebel war von 2009 bis 2013 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der schwarz-gelben Koalition. Vor Amtsantritt hatte er mit der Forderung nach Abschaffung des Ministeriums für Aufsehen gesorgt. Die Rheinmetall AG macht nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 4,6 Milliarden Euro.

Hoffmann warf die Frage auf, ob Niebels "neuer Job ein spätes Dankeschön" sei. Er habe dem Bundessicherheitsrat angehört, als Rheinmetall die Erlaubnis für ein Multimilliardengeschäft mit Fuchs-Panzern in Algerien erhalten habe. Kritik an dem Wechsel kam von SPD, der Linkspartei und der Initiative Lobbycontrol.

"Entwicklungshilfeverhinderungsminister Niebel"

SPD-Vize Ralf Stegner sagte, "der abgewählte Entwicklungshilfeverhinderungsminister Niebel" sei als Lobbyist der Rüstungsindustrie "offenbar zuhause angekommen". "Der zukünftige Aufgabenbereich von Niebel ist eine klare Ansage, dass Rheinmetall seine Auslandsgeschäfte ausbauen möchte", sagte der Rüstungsexperte der Linksfraktion, Jan van Aken, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Bundestag müsse es darum gehen, das zu verhindern. Zur Besetzung mit Niebel könne er dem Konzern nur gratulieren, sagte van Aken spöttisch: "Ihm ist es gelungen, die FDP auf unter drei Prozent zu drücken. Vielleicht schafft er beim Konzern-Umsatz ähnliches."

Lobbycontrol kritisierte den Wechsel des Ex-Ministers als "nicht nur fragwürdig", sondern "geradezu dreist." Der Seitenwechsel zeige, dass Karenzzeiten für Minister dringend notwendig seien. "Ein Jahr reicht nicht aus, um einen ausreichenden Abstand zwischen Amt und Lobbytätigkeit zu gewährleisten", sagte Lobbycontrol-Mitarbeiter Timo Lange. Der Wandel des ehemaligen Entwicklungshelfers zum Rüstungsexporteur sei "beschämend".

Die große Koalition hatte nach dem umstrittenen Wechsel von Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn Anfang des Jahres eine Regelung zur Einführung von Karenzzeiten für Spitzenpolitiker angekündigt. Bislang gibt es allerdings noch keinen Beschluss.

Kanzlerin war informiert

Die Kanzlerin habe mit Niebel im Vorfeld über seinen neuen Job gesprochen, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Dabei habe Merkel ihre Haltung deutlich gemacht, dass Regierungsmitglieder zwischen dem Ausscheiden aus dem Amt und dem Einstieg in die Wirtschaft mindestens ein Jahr verstreichen lassen sollten. Wann das Gespräch stattfand, wollte Wirtz nicht sagen.

In Niebels Amtszeit als Entwicklungsminister fiel unter anderem die Zusammenlegung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der Bildungsagentur InWent und dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Niebel vertrat die Ansicht, dass Entwicklungspolitik auch deutschen Interessen nützen müsse. Entwicklungshelfer in Krisenländern forderte er auf, enger mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten.

Rheinmetall: 4,6 Milliarden Euro Umsatz

Rheinmetall beschäftigt nach eigenen Angaben weltweit 23.000 Menschen und erzielte mit den beiden Konzernsparten Automobiltechnik und Rüstung im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro.

Hat Niebel nun ein schlechtes Gewissen? Wie in seinem Umfeld erzählt wird, ist der 55-Jährige mit sich im Reinen. Rheinmetall sei ein guter Laden, der ja nicht nur Waffen verkaufe, sondern auch ein wichtiger Zulieferer der Autoindustrie sei. Niebel habe nach dem Schock der Bundestagswahl, als die FDP aus dem Bundestag flog, bewusst lange gewartet, bis er einen neuen Job annimmt, heißt es. Im Januar 2015 werde ein Jahr "Karenzzeit" vorbei sein, die es offiziell bei Wechseln von Politikern in die Wirtschaft gar nicht gibt, weil die große Koalition sich an dieses heiße Eisen nicht herantraut.

Für die FDP ist Niebels Frontenwechsel heikel. Ausgerechnet die Rüstungsindustrie. Die Liberalen mühen sich, ihr Lobbyisten-Image abzustreifen. Niebel wird das egal sein. Er ist nur noch einfaches Mitglied zu Hause in Heidelberg. Schon vor der Bundestagswahl war er in der FDP geächtet, weil er auf offener Bühne den damaligen Parteichef Philipp Rösler infrage stellte.


Kampfpanzer Leopard (dpa)
Kampfpanzer Leopard / ( dpa )
Quelle:
dpa , epd