Sowohl das nordrhein-westfälische Justizministerium als auch die Justizvollzugsanstalt in Wuppertal-Ronsdorf hätten in Krisensituationen über das Raphaelshaus verhandelt und entschieden, anstatt die Meinung der Verantwortlichen zu hören, sagte der Direktor der katholischen Einrichtung, Hans Scholten, der Kölner Kirchenzeitung (Freitag). Zudem seien von beiden Partnern vertrauliche Informationen an die Medien gelangt.
Das Raphaelshaus habe es nicht verdient, von den Kooperationspartnern systematisch "politisch geschlachtet" und den Medien "zum Fraß vorgeworfen zu werden", sagte der Direktor. Nicht eine konzeptionelle Schwäche habe das Projekt und eine ganze Einrichtung in Misskredit gebracht, sondern das individuelle Fehlverhalten eines Einzelnen.
Fluchtversuche der jugendlichen Straftäter gehörten zu den konzeptionell kalkulierbaren Risiken, während menschliches Fehlverhalten ein unkalkulierbares Risiko darstelle.
Justizministerium wurde unmittelbar informiert
Nachdem vergangene Woche ein massives Fehlverhalten eines Sozialpädagogen des Raphaelshauses bekanntgeworden war, stoppte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) den alternativen Jugendstrafvollzug mit sofortiger Wirkung. Unter anderem soll der Mitarbeiter den jungen Straftätern einen Bordellbesuch ermöglicht und mit ihnen an Silvester eine Tour mit Alkoholkonsum durch Köln gemacht haben. Nach diesen Vorwürfen kündigte der Mann fristlos.
Über die Vorgänge informierte Scholten nach eigenen Angaben unmittelbar die JVA und das Justizministerium. Daraufhin habe der JVA-Leiter gegen den ausdrücklichen Wunsch des Raphaelshauses die Rückführung aller fünf Jugendlichen verfügt, auch von unbeteiligten. Während des Transports ins Gefängnis sei einem Jugendlichen die Flucht gelungen.
Das am 1. August 2012 gestartete und auf drei Jahre angelegte Projekt setzt auf pädagogische Betreuung für Straftäter unter 21 Jahren in einer Jugendhilfeeinrichtung statt auf den Vollzug in einer Haftanstalt. Das Raphaelshaus, das im Umgang mit straffälligen Jugendlichen Erfahrung hat, wurde für das Modellprojekt ausgewählt. Kurz nach dem Start geriet es in die Schlagzeilen, weil drei Häftlinge flohen. Alle im Landtag vertretenen Fraktionen hatten sich aber damals darauf verständigt, das Modellprojekt fortzuführen.