domradio.de: Wo sehen die Deutschen denn den größten Bedarf? Wo brauchen Kinder am allermeisten Unterstützung?
Hofmann: Die ganz große Mehrheit sagt, wir brauchen die Unterstützung bei der Lehrmittelfreiheit für Kinder. Also, 97 Prozent tun dies, das ist ein ganz außerordentlicher Wert. Einen ähnlich hohen Wert gibt es für die Fachkräfte in Schule und KiTa, aber auch zum Beispiel für das kostenfreie Mittagessen gibt es die Zustimmung, und auch dafür, dass die Zugänge zu kulturellen und sozialen Einrichtungen den Kindern ermöglicht werden.
domradio.de: Also, Bildung ist ein wichtiges Stichwort, Ernährung, Kultur. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Hofmann: Wir haben es uns tatsächlich auch erhofft, weil, wie Sie schon gesagt haben im Vorspann, Politik hat sich hier sehr rar gemacht bei diesem Thema. Es ist ja kein Thema, was jetzt so ganz neu ist. es beschäftigt uns schon seit längerer Zeit und wir sind natürlich auch dran, dieses Thema mit anderen Organisationen gemeinsam auf die politische Bühne zu heben. Es hat dort auch immer wieder mal einzelne Initiativen gegeben, aber so richtig hat man es nicht angefasst. Und dass es jetzt gar nicht mehr vorkommt in den Koalitionsverhandlungen und im Koalitionsvertrag, das hat uns schon überrascht. Dass jetzt aber die Bürger sagen, Dreiviertel der Bürger sagen, Politik muss jetzt hier mehr tun, das hat uns schon auch ein bisschen überrascht, dass es so deutlich ausfällt.
domradio.de: Wenn die Deutschen jetzt also sagen, das muss auf die politische Bühne, wie Sie das formulieren, dann ist aber auch klar, das Ganze kostet. Sind die Deutschen denn auch bereit, dafür tiefer in die eigene Tasche zu greifen?
Hofmann: Ja, wir haben das explizit gefragt: Wären Sie bereit, dafür auch mehr Steuern zu zahlen? Und zwei Drittel der Menschen - und auch das ist natürlich eine erstaunliche Zahl, bei so einer Frage, die einen direkt auffordert, auch Bereitschaft zu erklären - sagt ja, ich wäre bereit, wenn es natürlich tatsächlich auch konkret hilft, die Kinderarmut zu überwinden. Und wir sehen daran, dass trotz dieser Debatte um Steuererhöhungen, die natürlich keiner mag, aber dass dann, wenn es um konkrete Dinge geht, und hier geht es auch um etwas, wo die Mehrheit sagt, hier muss auch etwas geschehen, dann ist man auch bereit, selbst in die Tasche zu greifen.
domradio.de: Praktisch könnte man damit dann zum Beispiel die Hartz IV-Sätze für Kinder oder das Kindergeld erhöhen. Da ist natürlich dann auch wieder die Frage, kommt das Geld am Ende auch bei den Kindern an? Wie sehen Sie das denn?
Hofmann: Wir haben ja auch in der Umfrage gefragt, welche Instrumente sind denn richtig? Und es ist so, dass auch die monetären Instrumente, also das Kindergeld, aber auch Dinge wie Hartz IV-Beträge zu erhöhen, das wird auch schon als richtig erachtet. Aber noch viel mehr sind es die infrastrukturellen Maßnahmen, die bevorzugt werden, also die kostenlosen Zugänge zu Kultur, Bildung, Sportverein usw., das kostenfreie Mittagessen, die kostenfreie Ganztagsbetreuung, das sind die Dinge, die dann auch von den Bürgern als wirksamer angesehen werden. Wir selbst, das Deutsche Kinderhilfswerk, wir sagen immer, natürlich gibt es immer mal wieder auch Auffälligkeiten. Wo man sich wundert, warum haben auch arme Kinder Statussymbole? Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das auch nicht das Gros der Familien ist. Das Gros der Familien, wie es alle Familien selber für sich im eigenen Haushalt tun, da kommen die Kinder nicht zu kurz. Und das ist auch bei den armen Familien so. Natürlich gibt es auch diese Ausnahmen, nur dürfen die uns nicht leiten. Diese monetären Maßnahmen sind erstmal ein richtiger Weg sind. Deshalb fordern wir auch mehr Kinder-Grundsicherung, aber unabhängig davon braucht es eben auch die infrastrukturellen Maßnahmen, weil die - und das muss man auch sehen- oft finanziell günstiger sind. Wenn man es nicht so kompliziert macht wie beim Bildungs- und Teilhabepaket, dann sind sie natürlich teurer, aber an sich sind die kostenfreien Zugänge eigentlich schon da und man muss sie nur erhalten.
Das Gespräch führte Verena Tröster.