Neue Studie zeigt Regionen, wo immer mehr Kinder im Mangel leben

Die Decke ist zu kurz

Kinderarmut ist in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt. Neue Daten zeigen, dass sich die Situation in einigen Regionen im Westen verschlechtert. Der Anteil armer Kinder ist aber im Osten noch immer höher. Sie leben im Mangel.

Familie (dpa)
Familie / ( dpa )

Kinderarmut ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Osten Deutschlands ist sie noch immer höher als im Westen - aber es gibt auch im Westen Regionen, wo eine wachsende Zahl Kinder im Mangel leben. Das geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler Stiftung in Düsseldorf hervor. Der DGB sprach von einem "Dokument des riesigen Niedriglohnsektors".

Kinder aus einkommensschwachen Familien müssen auf soziale Aktivitäten verzichten. Ein einwöchiger Urlaub im Jahr, einmal Kino im Monat oder Freunde zum Essen einzuladen ist für mehr als zwei Drittel der einkommensarmen Familien nicht drin. Den Kindern fehlt es aber auch am Nötigsten: Im Westen haben zehn Prozent, im Osten zwölf Prozent keine ausreichende Winterkleidung. 14 Prozent der Kinder aus armen ostdeutschen Familien leben in Wohnungen mit feuchten Wänden, im Westen sind es zehn Prozent. Kinder, deren Eltern nicht arm sind, erleben das nur halb so häufig.

Schmaler Grad zwischen Dramatisierung und Verharmlosung

Einer der Autoren der Studie, Eric Seils, sagte dem epd, der Mangel zeige sich daran, dass die Kinder wie mit einer zu kurzen Decke leben müssten: "Wenn man sich die Winterkleidung leisten will, dann fehlt es woanders." Man dürfe die Zahlen weder verharmlosen noch dramatisieren. Es komme aber darauf an, das Problem ernst zu nehmen, sagte Seils. Bundesweit lag die Armutsrisikoquote für Kinder unter 18 Jahren 2012 bei 18,9 Prozent. Die Kinderarmut ist im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen, liegt aber weiter über dem Niveau in der Gesamtbevölkerung (15,2 Prozent). Die WSI-Studie geht bei der Armutsmessung von den in der Europäischen Union üblichen Standards aus, wonach Haushalte als armutsgefährdet gelten, die weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung haben. Das sind für eine Einzelperson weniger als 869 Euro im Monat. Ein Paar mit einem Kind unter 14 Jahren gilt bei einem Einkommen unter 1566 Euro als armutsgefährdet.

DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die Regierung auf, den Arbeitsmarkt mit dem Mindestlohn und einer Zurückdrängung der Dumpingbeschäftigung in Ordnung zu bringen. Kinderarmut sei Elternarmut. Die Linksfraktion im Bundestag kritisierte, dass Union und SPD nichts vereinbart hätten, um gegen Kinderarmut vorzugehen. Regional ist die Kinderarmuts-Quote in Bremen (33,7 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (33,5 Prozent) am höchsten. Aber auch NRW liegt mit 21,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 18,9 Prozent. In der Oberpfalz hingegen lebt nur jedes zehnte Kind in einem einkommensarmen Haushalt (9,9 Prozent). Deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen auch Nieder- und Oberbayern und der ganze Südwesten.

Kinderarmut in Ruhrgebietsstädten

Die Daten von Seils und Co-Autor Helge Baumann zeigen auch ausgeprägte Armutsregionen im Westen. So leben - in absoluten Zahlen - die meisten armutsgefährdeten Kinder in Berlin, Köln und den Regierungsbezirken Düsseldorf und Arnsberg, zu denen die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Essen, Oberhausen, Dortmund, Bochum und Herne gehören. Im Regierungsbezirk Münster, der unter anderem Gelsenkirchen, Recklinghausen und Bottrop umfasst, stieg die Armutsquote zwischen 2005 und 2012 um mehr als vier Prozentpunkte auf 22,4 Prozent.


Quelle:
epd