Dialog-Initiative des Papstes ist in Berlin zu Gast

Freiheit mit und ohne Gott im Streitgespräch

Unter dem Motto "Freiheitserfahrungen mit und ohne Gott" beginnt heute ein Dialog zwischen Christen, Atheisten und Agnostikern in Berlin. Papst Benedikt XVI. hatte 2009 den Anstoß zu der Veranstaltung "Vorhof der Völker" gegeben.

 (DR)

Braucht der Mensch Religion? Endet die Welt ohne deren ethisches Gerüst im moralischen Chaos? Zu Fragen wie diesen will die Initiative prominente Intellektuelle aus Kirchen, Politik und Wissenschaft Kultur zu - auch kontroversen - Antworten provozieren. Der etwas sperrige Titel "Vorhof der Völker" spielt auf den Bereich des antiken Jerusalemer Tempels für die Nichtjuden an. Nach den Worten von Papst Benedikt XVI. soll der Begriff für einen Raum des offenen Austauschs mit Atheisten und Agnostikern stehen. Er hatte 2009 den Impuls zu den Gesprächsreihen gegeben. 

In der ehemals geteilten "Frontstadt" zwischen Ost und West stehen die Foren unter dem Motto "Freiheitserfahrungen mit und ohne Gott".

Das Leitwort ist eine Anspielung auf die friedliche Revolution und die Rolle der Kirchen dabei und doch weit mehr. "Ist der Glaube an Gott eine Minderung oder Bedrohung der Freiheit, oder ist er erst deren Ermöglichung", bringt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, die titelgebende Frage auf den Punkt. Die Bischofskonferenz gehört zu den Mitveranstaltern, gemeinsam mit dem Erzbistum Berlin, der Katholischen Akademie in der Hauptstadt sowie der Guardini-Stiftung, die den Dialog von Religion, Kunst und Wissenschaft fördert.

"Berlin ist religiöse Wüste"

Für den vatikanischen "Kulturminister", Kardinal Gianfranco Ravasi, ist Berlin in religiöser Hinsicht "fast so etwas wie eine Wüste". Der Präsident des Päpstlichen Kulturrats kann sich in der Tat auf Zahlen berufen, die aus Sicht der Kirchen alarmierend sind. Rund 60 Prozent der Berliner geben an, keiner Religion anzugehören.

In dieser Hinsicht scheint die Spree-Metropole wie geschaffen für die vatikanische Dialoginitiative "Vorhof der Völker", mit der Ravasi vom 26. bis 28. November in der Bundeshauptstadt zu Gast ist. Sie kommt erstmals nach Deutschland, um nichtglaubende Menschen zum Gespräch einzuladen.

Kardinal Rainer Maria Woelki, der zum Dialog zwischen Christen, Nicht-Christen und Nicht-Glaubenden eingeladen hatte, sagte, ein bloßer Meinungsaustausch wäre aber zu wenig. Es müsse auch um das gesellschaftliche Miteinander in einer multikulturellen und multireligiösen Stadt wie Berlin gehen. "Dazu gehört eine gemeinsame ethische Basis", betonte der Kardinal.

Große Menschheitsfragen

Der Kardinal betonte, es gebe viele Atheisten, die sich mit hohem menschlichem Ethos für die Gesellschaft einsetzten. "Das ist etwas, das ich respektiere und würdige", betonte Woelki. Mit Christen verbinde sie die Sehnsucht nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit, aber auch die Fragen nach der Schuld und dem Bösen. "Es sind diese großen Menschheitsfragen, die im Dialog miteinander ausgelotet werden müssen", erklärte der Kardinal.

Nichtglaubende Menschen ließen sich auf das Gespräch mit Christen ein, "wenn man authentisch ist", hob Woelki hervor. "Wenn man bereit ist, die eigene Position zu klären und zu verdeutlichen. Und wenn man das dann nicht nur theoretisch oder intellektuell tut, sondern auch klar wird: Das wofür ich stehe, versuche ich auch zu leben."

Wowereit: Dialog ist Chefsache

Die Einladung sprach mit dem Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aus. Wowereit, der Mitglied der katholischen Kirche ist, hat den interreligiösen Dialog zur Chefsache gemacht. Er wünscht sich von der Veranstaltung, "dass sie religiöse und weltanschauliche Vielfalt als Bereicherung erlebbar macht und zum friedlichen Miteinander ermutigt".

In seinem Dienstsitz, dem Roten Rathaus, geht es zum Auftakt zunächst um die Frage, inwieweit eine Ethik auf den Glauben an einen Gott angewiesen ist. Am folgenden Tag widmet sich eine weitere Expertenrunde in Berlins renommierter Charite-Klinik unter anderem den medizinischen Entwicklungen in der Genetik, die Menschen neue Möglichkeiten, aber auch Entscheidungszwänge bringen. Beim dritten Treffen im Deutschen Theater steht das Verhältnis von Blasphemie und künstlerischer Freiheit auf der Tagesordnung.

Prominente auf dem Podium

Unter den Podiumsteilnehmern sind der Sozialphilosoph Hans Joas, der Kirchenhistoriker Christoph Markschies und die Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, Shermin Langhoff. Bekanntester Gast ist der Alterspräsident des Bundestags und Ex-Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU).

Ein Höhepunkt der Dialogtage dürfte am 27. November im Bode-Museum auf der Museumsinsel stattfinden. Geplant ist ein "ästhetisch-religiöses Experiment" mit Berliner Oberstufenschülern und Studierenden. In zwei sich kreuzenden "Prozessionen" führen die Schauspielerin Sophie Rois und der Autor Jens Bisky sie an Heiligenfiguren und anderen Skulpturen vergangener Jahrhunderte vorbei, um darüber ins Gespräch zu kommen. Begleitet werden sie von Lichtinstallationen und Uraufführungen von Werken, die Studierende der Berliner Musikhochschulen komponiert haben.

Der Direktor der Katholischen Akademie, Joachim Hake, erhofft sich auch von den Berliner Dialogtagen insgesamt ein Aufbrechen überkommener Klischees. "Auch bei Christen gibt es den Zweifel, und manche Atheisten sind offen für religiöse Fragen", betont Hake. "Wenn wir offen darüber sprechen, kann uns das sicher weiterbringen."

 

 


Das Rote Rathaus in Berlin (dpa)
Das Rote Rathaus in Berlin / ( dpa )
Quelle:
KNA