China will die berüchtigten Umerziehungslager abschaffen und die Ein-Kind-Politik lockern. Das geht aus umfangreichen Reformbeschlüssen des Zentralkomitees der regierenden Kommunistischen Partei hervor, die der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge am Freitag veröffentlicht wurden. Außerdem soll die Todesstrafe künftig für weniger Verbrechen als bisher verhängt werden dürfen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, forderte aber auch die Abschaffung sämtlicher irregulärer Haftzentren.
Experte: "historisches Dokument"
Der Sinologe und Politikwissenschaftler Sebastian Heilmann sprach von einem "historischen Dokument". Seit dem Beginn der Öffnungs- und Reformpolitik im Jahr 1978 habe es keinen Beschluss gegeben, der so umfassend, konkret und ambitioniert gewesen sei, sagte der Direktor des neu gegründeten Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin, der "Stuttgarter Zeitung" (Samstagsausgabe). Trotz Abschaffung der Umerziehungslager sieht der Trierer Professor keine allerdings politische Liberalisierung: Die Kontrolle des Internets solle weiter verstärkt werden, sagte Heilmann.
Folter soll abgeschafft werden
Das Erzwingen von Geständnissen durch Folter oder Misshandlung soll nach dem Parteibeschluss ebenfalls unterbunden werden. Die Reformen hätten zum Ziel, die Menschenrechts- und Justizpraxis zu verbessern, hieß es. Das System der "Umerziehung durch Arbeit" in China wird von Menschenrechtlern seit langem heftig kritisiert. Seit 1957 können nach Angaben von "Human Rights Watch" Menschen wegen Straftaten wie Prostitution oder Diebstahl allein durch polizeiliche Anordnung und ohne Gerichtsprozess in sogenannte Umerziehungslager kommen.
Verbesserung der Menschenrechte
Auch Drogenabhängigen oder Homosexuellen drohte bisher jahrelange Haft in einem solchen Lager. "Human Rights Watch" schätzt, dass etwa 160.000 Chinesen ohne Prozess in 350 Umerziehungszentren festgehalten werden. Der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck wertet deren Abschaffung als wichtiges Zeichen: "Es ist ein Signal der Ermutigung für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in China." Peking reagiere damit auch auf die massive Kritik, die im Oktober beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf an den Umerziehungslagern geübt wurde, sagte Beck in Berlin.
Mehr Spielraum für Anwälte
Bei Gerichtsprozessen sollen laut dem Parteibeschluss illegal beschaffte Beweise in China nicht mehr zugelassen werden. Fehlurteile sollen besser verhindert und schneller korrigiert werden, bei Strafandrohung für die Verantwortlichen. "Anwälte werden eine wichtige Rolle beim Schutz der Rechte und Interessen der Bürger sowie der Unternehmen im Rahmen der Gesetze spielen", heißt es in dem Dokument. Bisher riskierten Anwälte oft, selbst angeklagt zu werden, wenn sie sich für einen Mandanten einsetzten.
Lockerung bei Todesstrafe
Auch wegen der häufigen Verhängung der Todesstrafe steht China seit langem in der Kritik. Nach dem Willen des Zentralkomitees soll die Zahl der Verbrechen reduziert werden, auf die die Todesstrafe angewendet werden kann. Bisher ist das auch bei Korruption möglich.
Laut Amnesty wurden im Jahr 2012 in China mehr Menschen hingerichtet als in der gesamten übrigen Welt, vermutlich mehrere Tausend. Die genauen Zahlen über Todesurteile oder Exekutionen unterliegen allerdings der Geheimhaltung.
Neue Familienpolitik
Schritt für Schritt soll den Angaben zufolge auch eine neue Familienpolitik eingeführt werden, um langfristig eine ausgewogene Bevölkerungsentwicklung zu erreichen. Künftig sollen Elternpaare zwei Kinder haben dürfen, wenn einer ein Einzelkind ist. Bisher galt das nur, wenn beide Eltern keine Geschwister hatten. Seit 1979 ist es Ehepaaren in China verboten, mehr als ein Kind zu bekommen, um das Bevölkerungswachstum zu begrenzen. Allerdings wurde diese Ein-Kind-Politik sukzessive gelockert.