Kopten stehen hinter den neuen Machthabern

"Die Ägypter wollen keinen religiösen Staat"

Straßenschlachten, brennende Kirchen, getötete Kopten – die Situation der Kopten in Ägypten hat sich weiter verschärft, nachdem das Militär den Muslimbruder-Präsidenten Mohammed Muris gestürzt hat. domradio.de spricht mit Bischof Kyrillos William, dem Oberhaupt der koptisch-katholischen Kirche.

Bischof Kyrillos William (MISEREOR)
Bischof Kyrillos William / ( MISEREOR )

domradio.de: Die Kopten in Deutschland beschweren sich, die Situation in ihrer Heimat werde falsch dargestellt: Es sei kein Kampf zwischen Christen und Muslimen, stattdessen kämpften Muslime und Kopten gemeinsam gegen die Muslimbruderschaft. Entspricht das Ihren Beobachtungen in Ägypten?

Bischof Kyrillos: Das ist aus meiner Sicht genau richtig. Die moderaten Moslems haben immer freiwillig die Kirchen unterstützt. Sie wollten damit zeigen, dass wir zusammengehören und immer zusammenbleiben werden. Es gibt nur eine kleine Gruppe von Fundamentalisten, die für die Ausschreitungen verantwortlich ist. Aber diese Extremisten sind weder bei Christen noch bei Moslems beliebt.

domradio.de: Trotzdem ist es so, dass immer mehr Christen vor der andauernden Bedrohung aus Ägypten fliehen. Empfehlen Sie Ihren Gläubigen ins Ausland zu gehen?

Bischof Kyrillos: Nein, ich rate Christen davon ab Ägypten zu verlassen. Bislang sind schon viele von ihnen in die Vereinigten Staaten und nach Australien ausgewandet. Denn sie wollen eine sichere Zukunft für ihre Kinder und fühlten sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen nicht mehr sicher in Ägypten. Seitdem die Muslimbrüder Ägypten beherrschen, sind die Christen diskriminiert worden. Sie wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt und es gab viele Schwierigkeiten im praktischen Leben. So blieben ihnen manche Positionen im Berufsleben verwehrt, nur weil sie Christen sind. Aber Ägypten ist unsere Heimat und wir haben hier eine Mission zu erfüllen. Wir müssen Brücken bauen zu anderen Ägyptern und uns mit ihnen durch die Lehre des Evangeliums versöhnen. Wir hoffen jetzt, dass mit der neuen Verfassung gleiche Rechte für alle gelten werden. Gleichzeitig erwarte ich von der Übergangsregierung, dass sie auf die Einhaltung dieser Rechte achtet.

domradio.de: Die koptisch-katholische Kirche hat das ägyptische Militär und die Polizei nach dem Sturz von Mohammed Mursi unterstützt, obwohl Kopten immer wieder klagen, die Polizei würde sie unfair behandeln. Hinzu kommt, dass es das Militär nicht geschafft hat, die Christen in Ägypten vor vielen Angriffen zu schützen. Warum steht Ihre Kirche trotzdem hinter den Sicherheitskräften und der neuen Führung in Kairo?

Bischof Kyrillos: Natürlich war das Verhalten des Militärs und der Polizei gegenüber den Kopten manchmal nicht in Ordnung. Das lag aber auch daran, dass ab dem 25. Januar der Polizeidienst zusammengebrochen ist und es überhaupt keine Rechte und Gesetze mehr im ganzen Land gab. Der Stärkere hat regiert und der Schwache war das Opfer. Jetzt, wo Mursi gestürzt ist, haben die Ägypter aber wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf einen Staat, der säkular ist. Die Muslimbrüder aber haben versucht, einen religiösen Staat zu etablieren. Das haben die Ägypter gemerkt, aber sie wollten so einen Staat nicht. Deswegen haben sie sich hinter das Militär und die Polizei gestellt, weil auch sie diesen Staat verhindern wollten.

domradio.de: Wie optimistisch sind Sie, dass in absehbarer Zeit eine gute Lösung für alle Ägypter, auch für die Kopten, gefunden werden kann?

Bischof Kyrillos: Wir hoffen das Beste, weil wir sehr auf göttliche Vorhersehung vertrauen. Gott führt uns, Gott führt die Geschichte, unsere Geschichte. Es ist ein Wunder, was in den vergangenen zwei Monaten passiert ist. Das sagen alle hier. Es ist eine Frucht des Gebetes, eine Frucht der Geduld von vielen Ägyptern und des guten Willens aller Ägypter, den Terrorismus zu bekämpfen. Es macht uns hoffnungsfroh.

domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR

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