domradio.de: Für eine ARTE Dokumentation wurden auf einer Bananenplantage in der Dominikanischen Republik Arbeiter interviewt, die Angst hatten etwas zu sagen. Herausgekommen ist, dass der Plantagenbesitzer sie sieben Tage in der Woche arbeiten lässt, ohne Papiere und bei vier Euro am Tag. Was war denn ihre Reaktion auf diesen Film?
Overath: Der Missstand, dass annähernd 1 Millionen Haitianer nach dem Erdbeben sich verdingen müssen in der Dominikanischen Republik, ist jetzt nicht speziell auf Fairtrade bezogen. Der Umstand ist uns bekannt und wir sind mit den Produzentengruppen auch seit längerer Zeit in einer sehr ernsthaften Diskussion, wie die Standards für Kleinbauern, die eigentlich keine abhängigen Arbeiter beinhalten, erweitert werden können. Dieses Beispiel ist neu, weil wir klare Plantagenstandards haben und dort geht das Fairtrade Premium ja auch ausschließlich zu den Arbeitern und wir haben Kleinbauernstandards und besagte Bananenkooperative. Das ist eben eine Kleinbauerninitiative, wo dann entsprechend das Fairtrade Premium an die jeweiligen Kleinbauern geht. Aber in der Diskussion sind wir schon ein Stück weitergekommen und es gibt durchaus auch leider noch unterschiedliche Interpretationen darin, was die Interviews mit besagten Repräsentanten der Bananenkooperative angeht.
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Jeder Produzent von Fairtrade-Produkten einigt sich auf einen Preis für beispielsweise Bananen, Kaffee oder Kakao. Zusätzlich zu diesem Geld gibt es eine Prämie – das sogenannte Fairtrade Premium. Diese wird für die Entwicklung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Projekten ausgezahlt. Über die Projekte wird demokratisch abgestimmt. Dies geschieht im „Betriebsrat“ der Kleinbauern oder zwischen den Arbeitern einer Plantage. Die Prämie wird üblicherweise für Bildung und Gesundheit ausgegeben.
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domradio.de: Heißt das unterschiedliche Standards?
Overath: Ja, wie arbeiten bei Kaffee, Kakao usw. ausschließlich mit Kleinbauern und dort geht das Fairtrade Premium dann direkt an die Kleinbauern beziehungsweise deren Familien. Dann haben wir Plantagen-Standards und das sind in der Regel recht große Plantagen, wie bei Blumen und Bananenplantagen. Die haben eben um einige hundert oder manchmal auch einige tausend Arbeiter. Hier müssen ganz klare Kriterien von Gewerkschaftsfreiheit, Arbeitsverträge usw. eingehalten werden und das Fairtrade Premium bei Blumen oder bei Tee oder bei einer Reihe anderer Produkte wird dann ausschließlich im quasi Betriebsrat der Plantage verwaltet und dort entschieden, was mit dem Geld gemacht wird. Dieses Beispiel aus dem Film ist jetzt eine Mischung, bei der wir noch die Standards weiter entwickeln müssen und daran arbeiten wir.
domradio.de: Nehmen wir nochmal den Kleinbauern. Da gab es Arbeiter aus Haiti, die keinerlei Rechte hatten. Die hatten auch keine Papiere. Dieser Kleinbauer kannte noch nicht einmal die Namen seiner Arbeiter und es wurde auch deutlich, wie abschätzend er über seine Arbeiter aus Haiti dachte. Das Haiti und die Dominikanische Republik keine Freunde sind, ist bekannt. Aber wie kann so etwas sein?
Overath: Wir haben unterschiedliche Situationen. Sie haben teilweise Tagelöhner, die nur für ein paar Tage arbeiten. Sie haben teilweise Arbeiter, die auch ein bisschen länger auf der Plantage sind. Das ist keine einfache Geschichte, wenn sie dafür Standards entwickeln. Wir sind aber dabei einen solchen Standard für diese Mischform der Plantage und der Kleinbauern zu entwickeln. Fakt ist aber, dass der Prozess - auch gerade in der Bananenkooperative verbindlichere und bessere Arbeits-, Entlohnungs- und auch rechtliche Aspekte zu schaffen - voll im Gange ist. Zurzeit sind wir auch mit den Kollegen in der Dominikanischen Republik dabei uns einen besseren Überblick zu verschaffen.
domradio.de: Nun glauben die Verbraucher hier, dass es vorwiegend darum geht Kleinbauern zu unterstützen. In diesem Film auf ARTE wurde auch eine sehr reiche Großgrundbesitzerin vorgestellt, die eingezäunt dort lebt, ihr Siegel erhält und für Transfair produzieren darf.
Overath: Einmal erhält sie nicht unser Siegel. Wir sind ein Produktsiegel und kein Unternehmenssiegel, das heißt es ist definitiv klar geregelt, dass das Fair-Trade Premium für Bananen, die aus dieser Plantage kommen ausschließlich separiert wird und den entsprechenden Arbeitern für Gesundheits-, Bildungs- und andere Projekte oder Einkommensverbesserungen zugutekommt. Wir haben ja auch Lizenznehmer, Röster, Firmen hier wo die Einkommensverhältnisse der Besitzer nicht das Kriterium sind. Wenn sie mit Plantagen - egal ob Blumen in Kenia oder anderen zusammenarbeiten - dann ist es ähnlich wie in Deutschland, dass der Besitzer einer Firma natürlich mehr verdient wie die Arbeiter, die für diese Firma arbeiten. Das ist in der Dritten Welt wahrscheinlich noch ein Stück extremer wie in Deutschland. Aber der Pool von der Besitzerin der Plantage hat nichts mit Fairtrade zu tun und sie bekommt über Fairtrade kein Cent, der ihren Lebensstandard finanziert. Dieses Geld geht ausschließlich, und das ist auch über Kontrolle abgesichert, an die Organisation der Arbeitnehmer. Insofern hat der Pool nichts mit Fairtrade zu tun. Sie können jetzt ja nicht sagen „Sie arbeiten nicht mit Plantagen zusammen wo die Besitzer keinen Swimming-Pool haben“ - also das würde den Arbeitern auch nicht weiterhelfen.
domradio.de: Wie werden Sie nun damit umgehen? Werden Sie Konsequenzen ziehen und wenn ja, welche?
Overath: Also in dem Kleinbauernbereich ist es sehr gut dargestellt worden. Die Küchen, die die Kleinbauern separat in ihren Behausungen über Fairtrade-Gelder einrichten konnten oder eben das ein Kleinbauer sagte, dass er stolz ist, dass das erste Kind auch ein Studium über Fairtrade Prämien finanzieren konnte. Also ich denke, diese Dinge sind ja zum Glück auch mit rübergekommen. Dass die Gelder des fairen Handels wirklich auch positive Wirkung hinterlassen. Dieser sehr komplizierte Punkt, wie sie angesichts der Gemengelage Haiti, Dominikanische Republik ein Regelwerk entwerfen was sowohl Tagelöhner, Wochenlöhner und Arbeiter, die länger in der Bananenkooperative tätig sind betrifft, ist etwas wo wir mit Sicherheit noch weiter forciert dran arbeiten werden und definitiv nicht im nächsten Jahr die nächste Reportage dann über uns ergehen lassen müssen. Also dieser Punkt ist uns auch vorher bekannt gewesen und dieser Punkt ist auch uns wichtig.
domradio.de: Kann man denn getrost weiterhin Fairtrade kaufen und davon ausgehen, dass man was Gutes tut?
Overath: Also eine unabhängige Studie von einem Institut, was wirklich in keinerlei Verbindung zu Fairtrade steht, hat haargenau in Plantagen festgestellt, dass die positiven Effekte spürbar sind. Der Punkt und das war ja auch so eine Kritik an dem Film ist, dass es aber Volumen braucht. Also sie können erst positive Effekte vor Ort erzielen wenn die Menschen 40 Prozent, 50 Prozent oder 60 Prozent ihrer Ernte nach Fairtrade-Bedingungen absetzen können und dafür brauchen sie hier Supermärkte. Dafür brauchen sie Discounter und dafür brauchen sie Markenartikel. Aber wir müssen natürlich über Kontrolle und Kriterien weiterhin dafür sorgen, dass die Hütte sauber ist.
domradio.de: Vielen Dank!
Das Gespräch führte Monika Weiß.