Pax-Christi: Atomwaffen weltweit ächten

Gegen den Mehltau der Gleichgültigkeit

Hunderttausende starben bei den Atomangriffen auf Hiroshima und Nagasaki. Für Pax-Christi-Präsident Bischof Algermissen bleibt das Thema auch nach 68 Jahren aktuell. Im domradio.de-Interview erklärt er,  warum es für ihn sogar wahlentscheidend ist.

Hiroshima gedenkt 1945 (dpa)
Hiroshima gedenkt 1945 / ( dpa )

domradio.de: Sie haben auch in diesem Jahr wieder eine Erklärung zum 6. August 1945 abgegeben. Warum ist die Erinnerung an den Abwurf der Atombombe über Hiroshima wichtig?

Algermissen: In den vergangenen Jahren habe ich immer zum 6. August eine Erklärung abgegeben, weil ich genau weiß, dass man ich genau weiß, dass man bei dem Kurzzeitgedächtnis vieler Menschen - auch vieler Politiker - immer wieder nachbohren muss, um gehört zu werden. Die Gleichgültigkeit bei dieser Materie, die sich immer wieder wie Mehltau über die Bevölkerung legt, ist für mich ein Skandal. Und ein großes Ärgernis. Deshalb ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die, weil sie vom Evangelium her nicht anders können, ihre Stimme erheben und mahnend und warnend sagen: Passt auf, so geht es nicht; was ihr da tut, ist auch verlogen. Denn nach Fukushima waren wir alle wie paralysiert. Und ganz schnell, fast über Nacht, war der Ausstieg aus der Atomkraft erklärte Sache, was in seiner Konsequenz auch gut ist. Aber man lässt die Atomwaffen und ihre laufende Weiterentwicklung einfach laufen.

domradio.de: Sie geben in Ihrer Erklärung zu bedenken, dass ein Atomkrieg auch zukünftige Generationen ihrer lebenswichtigen Ressourcen berauben würden. Was fordern Sie als Präsident von Pax Christi von der US-Regierung?

Algermissen: Wir haben eine Reihe von Atommächten, darunter auch sogenannte Schwellenländer, die noch Entwicklungshilfe bekommen und glauben, sie müssten Atombomben bauen. Länder wie Indien, Pakistan und Nordkorea. Das ist ein großes Ärgernis. Die USA und Russland sind aber natürlich die entscheidenden Mächte. Und die USA haben noch auf unserem Territorium Waffen deponiert. Und es wäre ein Federstrich, zu sagen, wir haben den Punkt erreicht, beispielsweise im Stützpunkt Büchel im Hunsrück die dort noch lagernden Atombomben abzuziehen.

domradio.de: 79 Staaten haben sich jetzt immerhin für eine völkerrechtliche Ächtung ausgesprochen...

Algermissen: ...aber nicht Deutschland! Das ist für mich unerklärlich. Ist es eine Nachlässigkeit? Für mich gibt es keine rationalen Gründe, wieso Deutschland diese Erklärung nicht unterschreibt. Zumal Deutschland ohnehin schon vor Jahren gesagt hat, man werde auf Atomwaffen verzichten.

domradio.de: Nun hat das Europaparlament eine atomwaffenfreie Zone in Europa gefordert. Warum sind solche Zonen wichtig?

Algermissen: Diese Zonen schaffen eine Grundlage des Vertrauens. Nicht nur in Europa. Es wäre noch wichtiger, eine solche Zone im Nahen und Mittleren Osten zu schaffen, wo es laufend kriselt, wo laufend die Lunte gelegt wird, wo es laufend von jetzt auf gleich zu einem Krieg kommen kann. Atomwaffen sind grundsätzlich keine Antwort mehr. Wir haben genügend entsetzliche Waffen, wir brauchen keine Atomwaffen. Dies zu erreichen, muss einer den Mut haben, anzufangen. Und bis sie dann ganz verschwunden sind, wird es immer noch Jahrzehnte benötigen. Dann bleibt immer noch die Frage, was mit den abgebauten Waffen getan wird. Denn die Langzeitwirkung solcher Waffen ist auch, ohne dass sie eingesetzt werden, fatal. Wir müssen anfangen, es müssen Zeichen gesetzt werden und in konkrete Politik umgesetzt werden. Und das sehe ich im Augenblick nicht. Man lässt es laufen. Wie Politiker zu dieser Frage stehen, ist für mich ein dezidierter Wahlprüfstein.

Das Gespräch führte Monika Weiß.


Quelle:
DR

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