Sprachlosigkeit in Sankt Barbara in Duisburg-Hamborn angesichts der Kirchenschließung 2015, Hochamtsgeläut und Durchatmen dagegen in Sankt Peter in Duisburg-Marxloh. Im Schatten des Thyssen-Werks und der bundesweit bekannten Großmoschee freut sich die klein gewordene Marxloher Sonntagsgemeinde über den dauerhaften Erhalt ihres Gotteshauses. All das dort, wo viele Alte und Arme zu Hause sind. Junge Familien zogen hier weg, Muslime bestimmen das Bild im Stadtteil. Hier bleibt die katholische Kirche präsent. Diese eindeutige Zusage enthält der vom Bistum Essen am Samstag veröffentlichte Brief von Bischof Franz-Josef Overbeck - nach Monaten der Diskussionen, des Protests, einer Kirchenbesetzung, des Gebets und eindringlicher Gespräche.
Sankt Peter sollte als eine von vier Hamborner Kirchen eigentlich "dicht" gemacht werden. In Marxloh, weiß Pastor Michael Kemper, kann Kirche auch für Arme nun weiter gestaltet werden. Nach fünf Jahren Abwarten werde hier ein sozialpastorales Zentrum mit Hilfe der Diözese entstehen. "Wir bleiben Partner im funktionierenden Dialog der Religionen", freut sich Kemper. Er ergänzt: "So fatal wie die Schießung im spannungsgeladenen Marxloh gewesen wäre, so positiv ist jetzt das Signal des Bischofs." Das Zentrum soll die Arbeit karitativer Einrichtungen, Hilfen für benachteiligte Jugendliche, Familien und alte Menschen vernetzen. Sicher wird es aber auch ökumenische Aktivitäten im Stadtteil stärken. Freilich müssen die Finanzen sowie rechtliche und inhaltliche Grundlagen noch ausgehandelt werden.
Sankt Peter ist aber nur eine von bisher noch sechs geöffneten Kirchen der etwa 20.000 Katholiken umfassenden Pfarrei Sankt Norbert. Und nach dem Bischofs-Entscheid ziehen nicht nur Aktive in Sankt Peter und Sankt Barbara Bilanz. Für viele überraschend - etwa für die "Initiative gegen Kirchenkahlschlag" - berücksichtigte Bischof Overbeck in seiner Entscheidung einige zentrale Forderungen der Hamborner Katholiken.
"Ich will nicht meckern", formuliert es die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Angelika Hoffmann. "In Sankt Barbara müssen wir Trauerarbeit leisten, dazu verdeutlichen, wie denn Gemeinde ohne Kirche weiterleben kann. Für ganz Sankt Norbert aber haben wir die Aufgabe, Gemeinden zusammenzuführen, neue pastorale Akzente zu setzen und deshalb neue Wege zu gehen." Die "Initiative gegen Kirchenkahlschlag", sagt sie bestimmt, habe wegweisende Zusagen erhalten: "Kindergärten bestehen unabhängig von Kirchenschließungen weiter, wir bekommen das Zentrum in Marxloh und wir behalten über 2015 hinaus die dritte geforderte von heute noch sechs Kirchen im Pfarrgebiet."
Während die Medien bundesweit berichten und Katholiken in Sankt Barbara mit Tränen in den Augen Gottesdienst feiern, wirken Hoffmann und auch Duisburgs Stadtdechant Bernhard Lücking erleichtert. Sie wissen, dass die Kirche sich in Zeiten von Priester-, Finanz- und Gläubigenmangel auf gelebten Glauben und das Leben der Menschen konzentrieren muss. Streit, wo er unproduktiv ist, gilt es zu vermeiden. Der Stadtdechant spricht deshalb von "einem im großen Ganzen salomonischen Urteil" des Bischofs. Und Hoffmann überzeugt: "Erst während unseres Kampfes hat Bischof Overbeck wirklich gemerkt, welches Potenzial im Duisburger Norden für die Kirche steckt." Deshalb will sie schon am nächsten Wochenende im ersten großen Bistumsforum des bundesweiten Dialogprozesses auch über die Hamborner Dialog-Erfahrungen reden. "Wir müssen verdeutlichen, was Dialog von Anfang an bedeutet, weil anderswo bald weitere Kirchenschließungen bewältigt werden müssen."
Anders akzentuiert, aber mit gleicher Tendenz, zieht auch der Seelsorge-Dezernent des Ruhrbistums, Domkapitular Michael Dörnemann, Fazit. Der bistumsweite Trend weise seit Jahrzehnten heftig sinkende Katholiken- und Gottesdienstbesucherzahlen aus, auch deshalb mussten seit 2006 bistumsweit 96 Kirchen schließen. Dörnemann: "Wo Veränderungen anstehen, können wir aus dem, was in Duisburg passiert ist, nur lernen."
Das Bistum Essen kommt den Kritikern von Kirchenschließungen entgegen
Ein salomonisches Urteil
In der Auseinandersetzung um die geplante Schließung mehrerer katholischer Kirchen im Duisburger Norden ist Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck den Kritikern teilweise entgegengekommen. Nun sollen statt vier nur noch zwei Kirchen als Gottesdienststandorte aufgegeben werden.
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