Der US-Präsident und sein Christentum

"Mr. Cool" Obama

Ob George W. Bush ohne das öffentiche zur Schau stellen seines Glaubens ein zweites Mal US-Präsident geworden wäre? Wohl kaum. Auch sein Nachfolger Barack Obama ist ein gläubiger Christ. Allerdings praktiziert er seinen Glauben fern des Scheinwerferlichts - und zahlt dafür einen hohen Preis.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Manchmal greift er an Bord der Air Force One zum Telefon und ruft ihm wohlbekannte Pastoren an, um sich auszusprechen und gemeinsam zu beten: in 30.000 Fuß Höhe der Betende, in einer Kirche in Chicago oder in Orlando sein geistlicher Beistand. Gelegentlich greift er morgens, bevor die Verantwortung seines Amtes auf ihn einstürzt, zu seinem Blackberry und liest spirituelle Texte auf dem kleinen Display. Es ist ein Glaube, der im Stillen praktiziert wird - US-Präsident Barack Obama, wegen seiner Beherrschtheit und analytischen Reserve schon im Wahlkampf von seinen Anhängern "Mr.Cool" genannt, trägt sein Christentum ungern öffentlich zur Schau. Damit steht er im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, die, von TV-Kameras beobachtet, zur Kirche gingen.

Die traditionelle "Kirche der Präsidenten", die von einem der architektonischen Gründer der Hauptstadt Washington, Benjamin Latrobe, kurz nach 1800 geschaffene St. John's Episcopal Church, ist ebenso wenig zu Obamas spiritueller Heimstatt geworden wie ein anderes Gotteshaus in Washington. Zu groß, so hat er erkennen lassen, sei seine Sorge, der Einzug der "First Family" würde einen Trubel verursachen, der die Gläubigen in ihrer Andacht stören könnte.

In der Tat vollzog sich in der Vergangenheit der Glaube eines Präsidenten oft im Scheinwerferlicht. Beide Bushs gingen gelegentlich zu St. John's, das nur einige Schritte vom Weißen Haus entfernt liegt. Bill Clinton - Methodist wie Obama - suchte die gleichfalls in der Nähe des Amtssitzes gelegene Foundry United Methodist Church auf. Der Gang zur Messe war auch für Präsident John F. Kennedy (1961-1963) ein Medienereignis: Kennedy war der erste Katholik im Amt; manch ein Kommentator beobachtete diese im Weißen Haus neue Religiosität zunächst mit Argwohn.

Hoher Preis
Obama, der sich im Wahlkampf 2008 weitaus häufiger auf Jesus Christus und auf christliche Glaubensideale berief als nach seinem Amtsantritt, zahlt einen hohen Preis für seinen im Privaten gehaltenen Glauben. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage glaubt inzwischen fast jeder fünfte Amerikaner, der Präsident sei Muslim. Nachgefragt, woher man denn dieses vermeintliche Wissen habe, antworteten erstaunliche 60 Prozent: aus den Medien. Wie die "Washington Post" vermutet, könnte dies daran liegen, dass konservative Medien, allen voran Rupert Murdochs rechtslastiger Sender "Fox News", permanent das Zerrbild eines Präsidenten zeichnen, der "anders" ist - unausgesprochen: nicht so wie Mainstream-Amerika.

Besonderes Gewicht haben diese Gerüchte durch Obamas Eintreten für den Bau eines islamischen Zentrums beim "Ground Zero" in New York gewonnen. Wie andere Unterstützer der New Yorker Muslime weist Obama darauf hin, dass Religionsfreiheit in den USA ein hohes Gut sei - und für jede Religionsgemeinschaft gelte. Kritiker werfen Präsidenten jedoch vor, das Andenken an die mehr als 3.000 Opfer zu verunglimpfen, die der islamistische Terroranschlag vom 11. September 2001 gefordert hat. Und unterstellen ihm eine Nähe zu muslimischen Positionen.

Obama wird, dies steht zu erwarten, diesem falschen Eindruck nicht mit Aktionismus begegnen und seinen Glauben jetzt plötzlich in die Öffentlichkeit tragen. Er wird weiter an religiösen Veranstaltungen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen teilnehmen: vom traditionellem Prayer Breakfast über die jüngste Rede zum Ramadan bis hin im Dezember beim (fast gleichzeitigen) Entzünden der Kerzen auf der jüdischen Menora beim Channukah und dem Umlegen des Schalters, um Tausende von Energiesparlampen am nationalen Weihnachtsbaum leuchten zu lassen.

Zusammen mit Gattin Michelle und den Töchtern Sasha und Malia betet er wahrscheinlich auch künftig vor allem dort, wo keine Kamera, kein Mikrofon die Andacht stört: in der privaten Kapelle des präsidentiellen Wochenendhauses in Camp David.