Weltvollversammlung der Lutheraner in Stuttgart beendet

Zwei Tagesordnungen

Mit einem Gottesdienst und einer Abschlusserklärung ist die elfte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart zu Ende gegangen. Neben einer Selbstverpflichtung zum Tischgebet und der Forderung nach Aufnahme des Themas Geschlechtergerechtigkeit ins Theologiestudium ging es auch um Politisches.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

Die Lutheraner wollen sich stärker im Kampf gegen Klimawandel, Hunger und Aids engagieren. Doch beim Treffen der Delegierten von weltweit rund 70 Millionen Christen gab es zwei Tagesordnungen. Denn im Hintergrund standen andere Themen: Einerseits die Frage der Frauenordination, mit der einige der inzwischen 145 LWB-Mitgliedskirchen ihre Probleme haben, vor allem aber das Thema Homosexuelle. Während es etwa in Skandinavien und den USA bereits bekennende schwule und lesbische Bischöfe gibt und auch ein kirchlicher Segen für gleichgeschlechtliche Paare kein Thema ist, sind die lutherischen Kirche im Baltikum und Afrika noch weit entfernt von solchen Liberalisierungen.

Doch diese Probleme wurden nach Ansicht von Beobachten in Stuttgart fast vollständig übertüncht. Dies gelang auch deshalb, weil sich die Mitgliedskirchen 2007 darauf verständigt hatten, bis 2012 über diese Themen nachzudenken. Ein Spiel auf Zeit mit ungewissem Ausgang. Denn es steht nicht zu erwarten, dass diese Reflexionsprozesse zu einem Umdenken führen. Vielmehr glauben Experten, dass beide Seiten ihren jeweiligen Standpunkt zu einer Art Glaubenssatz machen, was eine Lösung noch weiter erschweren dürfte. So sehen es einige schon als Erfolg, dass die Gegensätze nicht zu offenen Konflikten unter den Delegierten führten.

Es wird nun die Aufgabe von Munib Junan (59) werden, beim LWB eine Spaltung - ähnlich wie in der anglikanischen Kirche - zu verhindern. Am Samstag war der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien zum neuen LWB-Präsidenten gewählt worden. Der Palästinenser folgt auf den US-Amerikaner Mark Hanson, der seit 2003 das in erster Linie repräsentative Amt bekleidet hatte. Junan gilt theologisch als konservativ, er wirkt vermittelnd und ökumenisch interessiert, doch mit Blick auf den Nahostkonflikt mag sich der LWB mit der Wahl keinen Gefallen getan haben.

Historisches Schuldeingeständnis
Ohne wenn und aber tritt der Oberhirte von rund 2.000 lutherischen Christen in Jerusalem, Bethlehem, Beit Jala, Beit Sahur, Ramallah und Amman für eine Zwei-Staaten-Lösung im Heiligen Land ein. Wiederholt kritisierte er die Politik der israelischen Regierung. Andererseits erkennt er den Holocaust als ein Geschehen an, durch das das jüdische Volk traumatisiert ist. Überraschend erschien Junan am Dienstagmittag nicht zur Abschlusspressekonferenz, sondern ließ Hanson allein bilanzieren. Der sprach von einer "betenden Vollversammlung", bei der jeden Tag ein immer tieferes Gefühl der Einheit habe erlebt werden können. Geist und Engagement des LWB seien erneuert worden.

Ökumenisch stand das Schuldeingeständnis der Lutheraner für ihre historischen Verbrechen an den Mennoniten im Mittelpunkt des Treffens. Die Lutheraner bekundeten ihr "tiefes Bedauern" über die Verfolgung der Täuferbewegung im 16. Jahrhundert. Der Präsident der Mennonitischen Weltkonferenz, Danisa Ndlovu, nahm die Vergebungsbitte öffentlich an. Für die Klärung ihrer aktuellen Probleme werden die Lutheraner keine 500 Jahre Zeit haben.