Bruder Paulus Terwitte zum Quelle-Ausverkauf

Die Schicksale hinter den Schnäppchen

Kaum stand fest, dass Quelle insolvent ist und Tausende Mitarbeiter sich eine neue Arbeit suchen müssen, wurde sie auch schon in Aussicht gestellt: die Aussicht auf 18 Millionen "Schnäppchen", die nun aus dem Quelle-Bestand zu machen sind. Sind solche Einkäufe ethisch und moralisch in Ordnung? Ein domradio-Interview mit dem Moraltheologen Paulus Terwitte.

 (DR)

domradio: Schnäppchenjad bei Quelle - ist das in Ordnung?
Terwitte: Das ist natürlich eine ganz tragische Situation, dass die Mitarbeiter jetzt vor einem Scherbenhaufen stehen, dem ihrer beruflichen Zukunft, und andere jetzt ihre Schnäppchen machen können durch die Waren, die billig angeboten werden. Da hätte man und müsste man Lösungen finden, dass diejenigen, die jetzt vor ihrem Scherbenhaufen stehen, letztlich aus dem Gewinn der Waren, die jetzt verkauft werden, auch noch mitversorgt werden können. Durch höhere Abfindungen und Ähnliches, die müssten mitbeteiligt werden an dem Gewinn, der jetzt noch rausgeschlagen wird.

domradio: Viele schieben diese moralische Frage von sich und schieben sie auf die Manager.
Terwitte: Das ist natürlich Vieles gelaufen, das nicht in Ordnung ist. Wir stehen in einer Zeit, in der offensichtlich einige sind, die an der Macht sind, ihre Macht missbrauchen, um vor allen Dingen für ihren eigenen Geldbeutel zu arbeiten. In solchen Situationen muss man immer wieder sagen, dass die kirchliche Soziallehre sehr viel stärker auf Mitarbeiterbeteiligungen drängt, dass Unternehmen viel mehr kontrolliert werden von ihren Mitarbeitern, dass solche Herrschaftsverhältnisse, wo sich dann Dinge verselbständigen können und einige in ihre eigenen Taschen wirtschaften, nicht vorkommen können. Und dass letztlich auch eine Kontrolle von unten erfolgt.

domradio: Die Angestellten nichts vom Ausverkauf. Sie "wickeln sich selber" ab. Was macht das mit dem Selbstwertgefühl?
Terwitte: Wenn man in einem Markenunternehmen arbeitet, das auf eine 80-jährige Tradition zurückblicken kann, gibt es eine hohe Identifizierung mit dem Unternehmen. Wenn man dann plötzlich merkt, dass man nicht richtig informiert wurde und ausgeschlossen wurde aus den Kommunikationen über die Schwierigkeiten, dann ist natürlich ein riesiger Vertrauensbruch da. Und ich kann mir vorstellen, dass in den Seelen der Mitarbeiter erstmal schwarze Dunkelheit eingekehrt ist, weil sie sich fragen: Habe ich mich mit meinem ganzen Leben für ein Unternehmen eingesetzt, das mich in den letzte Jahren nicht vollständig aufgeklärt hat und mein Vertrauen missbraucht hat?

domradio: Schnäppchenjagd bei Quelle ist das eine, Habsucht und Gier das andere. Ein typisches menschliches Laster?
Terwitte: Das ist eine ganz interessante Psychologie, ich nenne das mal Himmelskomplex. Manche denken, sie können sich zuhause ein Heim einrichten, wo sie alles zur Verfügung haben. Da sammelt sich so viel Ramsch an, Dinge, die zwar billig gekauft haben, aber nicht brauchen. Wenn wir von Glauben sprechen: Da ist Jesus, der sagt, dass der wahre Reichtum niemals gekauft werden kann. Und schon gar nicht, indem man ihn sich mit Schnäppchen nach Hause holt, die zwar glänzen, wo aber dahinter die Schicksale von Menschen stehen, die zu Lasten des Schnäppchens, das ich gemacht habe, leiden.