Je 1.000 Einwohner wurden 550 Exemplare registriert, dieser Wert lag weit über der Zeitungsdichte im Westen Deutschlands (430 je 1.000). In jedem der 15 Bezirke des Landes, inklusive Ost-Berlin, erschien eine Tageszeitung ohne Konkurrenz. Der SED war eine flächendeckende Verbreitung der regionalen Blätter enorm wichtig, galten sie doch den Bezirksleitungen als das scharfe Schwert im Kampf um die ideologische Vormachtstellung.
20 Jahre nach dem Fall der Mauer prägen Nachwirkungen der Strukturen von einst - eine Monopolzeitung je Verbreitungsgebiet - immer noch die Zeitungslandschaft in den neuen Bundesländern. Ansonsten ist zwischen Greifswald und Görlitz nichts mehr wie früher. Eine moderne Zeitungslandschaft hat sich etabliert. Von "selbstbewussten Zeitungshäusern im Osten Deutschlands" spricht etwa Thomas Düffert, Geschäftsführer des Verlags der "Sächsischen Zeitung" in Dresden.
Es geht um die Existenz
Wenn die Umwandlung der DDR-Presse in das Modell des Westens als Erfolgsgeschichte zu verstehen ist, so begann sie paradoxerweise mit einem Sündenfall. Gemäß Einigungsvertrag war es Aufgabe der Treuhand, die SED-Bezirkszeitungen zu privatisieren und in Wettbewerbsstrukturen zu überführen. Tatsächlich bot sie die Verlagshäuser mitsamt den Druckereien und Immobilien im Paket zum Verkauf an, ohne den Versuch der Entflechtung. Lediglich die großen Verlage des Westens (wie Bauer, Gruner+Jahr, Holtzbrinck und Springer) konnten die Übernahme finanzieren. Sie waren potent genug, in die maroden Hinterlassenschaften der roten Pressezaren zu investieren.
Von den vielen Presseneugründungen im Osten direkt nach dem Fall der Mauer hielten sich nur zwei: die "Altmark-Zeitung" in Sachsen-Anhalt und der "Oranienburger Generalanzeiger" in Brandenburg. Zwei Jahrzehnte nach der Wende geht es für die Blätter vor allem in den strukturschwächeren neuen Ländern mittelfristig um die Existenz. Die Negativtrends der Branche - Auflagenrückgänge, sinkendes Anzeigenaufkommen und der Strukturwandel in der Mediennutzung durch das Internet - greifen im Osten deutlich schneller als in den alten Ländern. Der Bevölkerungsrückgang verschärft diese Entwicklung noch.
Ist das Pochen auf lokaler und regionaler Meinungsvielfalt im Osten bald eine Luxusfrage? Sergej Lochthofen, seit 1990 Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen" (bis zur Wende "Das Volk"), verweist auf die Verlage in den wirtschaftlich besser gestellten Gebieten in den südlichen neuen Ländern und auf schwierige Versuche, künstlich "Zweitzeitungen" über Wasser zu halten: "Strukturen müssen nicht nur existieren, sondern lebensfähig sein."
"Die Redaktionen hier sind heute offener"
Unter dem Diktat der SED waren die Redaktionen politisch gleichgeschaltet. Für Claus Detjen, Verleger des "Haller Tagblatts" in Schwäbisch-Hall, 1991 bis 1998 Herausgeber der "Märkischen Oderzeitung" in Frankfurt, war dies das deprimierendste Erlebnis seiner Zeit in Brandenburg. Es sei bestürzend gewesen, "zu sehen, wie es den Kommunisten gelungen war, die Idee der Pluralität und den Respekt vor dem Eigentum gänzlich auszulöschen". Gemessen hieran erscheint der Bewusstseinswandel hin zu den Standards eines unabhängigen, an Leserinteressen orientierten Journalismus als stärkstes Indiz für eine insgesamt positive Bilanz.
Bisweilen müsse auch heute noch an die Bereitschaft von Redakteuren appelliert werden, Ereignisse zu kommentieren, sagt Thomas Schunck, der ehemalige Chefredakteur des Zeitungsverlags Schwerin. Für den "Thüringer Allgemeine"-Chefredakteur Lochthofen ist der Mentalitätswechsel der Journalisten im Osten dagegen zweifelsfrei. Mehr noch: "Die Redaktionen hier sind heute offener, nicht so biotopverhaftet wie viele im Westen."
Die Zeitungslandschaft im Osten hat sich seit 1990 grundlegend verändert
Der Wandel der scharfen Schwerter
Die DDR war bis zu ihrem Ende ein Land der Zeitungen. Fast zehn Millionen Exemplare erreichte allein die Auflage der Tagespresse. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist zwischen Greifswald und Görlitz nichts mehr wie früher. Eine moderne Zeitungslandschaft hat sich etabliert.
Share on