In Simbabwe zerfallen auch die letzten Reste staatlicher Strukturen

Ein Land versinkt in Agonie

Auf mehr als 600 Tote hat sich die offizielle Zahl der Cholera-Opfer in Simbabwe inzwischen erhöht, nahezu 14.000 Fälle hat die Weltgesundheitsorganisation bisher registriert. Die Epidemie ist das bislang deutlichste Symptom dafür, dass im Land auch die letzten Reste staatlicher Strukturen auseinanderbrechen.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Wer in den einst reichen Vorstädten von Harare wohnt, hat zumindest noch den Swimmingpool. "Seit Wochen schöpfen wir unser Trinkwasser aus dem Becken", berichtet Florence Mbala (Name geändert) telefonisch aus der Hauptstadt Simbabwes. "Aus den Wasserhähnen kommt schon lange nichts mehr." In den Armenvierteln bedeutet das: Menschen trinken, was sie kriegen können. Mbala: "Ich habe Männer gesehen, die aus Pfützen am Wegesrand Wasser geschöpft haben." Kläranlagen funktionieren nicht mehr. Und weil Abwasser vielerorts einfach auf die Straße läuft, breitet sich die Cholera rasend schnell aus - trotz internationaler Hilfe.

"Es ist unmöglich zu sagen, wie viele sterben", sagt Itai Rusike, der Direktor der simbabwischen "Nachbarschaftshilfe für Gesundheit". Vor allem auf dem Land ist die Lage unklar. "Die Krankenhäuser dort sind zu, es gibt keine Ärzte oder Krankenschwestern, selbst die Telefone sind ausgefallen, so dass man nichts Genaues erfährt."

Die ist Regierung hilflos
Die Cholera-Epidemie ist das bislang deutlichste Symptom dafür, dass in Simbabwe auch die letzten Reste staatlicher Strukturen auseinanderbrechen. Selbst Gesundheitsminister David Parirenyatwa musste einräumen, dass die Regierung hilflos ist, dass es den Kliniken an Wasser und Medikamenten fehlt und das Personal völlig demotiviert ist, weil die Löhne nicht mehr gezahlt werden: "Unsere Krankenhäuser funktionieren nicht, wir brauchen dringend internationale Hilfe, um die Versorgung wieder in Gang zu bringen."

Solche Töne waren aus dem Kabinett, das Präsident Robert Mugabe fest im Griff hat, bislang nicht zu hören. Cholera ist nicht das einzige Problem: Ein achtjähriger Junge, der beim Spielen auf dem Schulhof hinfiel, starb nach einer Woche, weil niemand sein verletztes Knie behandeln konnte. Auch das Kind von Givemore Nyakudyas ist tot: Vor drei Wochen starb seine Tochter in Harare an Cholera. "Wer nicht an Cholera stirbt, wird verhungern", prognostiziert er düster.

Wer helfen will, ist schnell überfordert
In den Läden gibt es kaum noch etwas zu kaufen, und wenn, dann ist es für die meisten unerschwinglich. 35 Millionen Simbabwe-Dollar (2,50 Euro) kostete am Dienstag ein Brot. Am nächsten Tag sind es wahrscheinlich 70 Millionen, so schnell steigen die Preise. Die immer wertlosere Landeswährung sackt noch schneller ab, seitdem die Regierung am Freitag neue Millionengeschenke an Militär und Polizei überwies.

Wer helfen will, ist schnell überfordert. Ein Pfarrer, der seit Monaten Mais aus dem Ausland nach Simbabwe schmuggelt, um den Ärmsten zu helfen, stöhnt: "Wir haben einen solchen Ansturm auf unsere Kirche erlebt, dass wir jetzt unsere Tore schließen mussten - alles andere wäre zu gefährlich, der Geheimdienst hat uns bereits im Blick." Denn viele der Hilfesuchenden vor allem in Harare sind Anhänger der Opposition. Das Maismehl will der Pfarrer, der auch Hilfen aus Deutschland erhält, jetzt über befreundete Gemeinden verteilen. Auch das rare salzhaltige Pulver zur Behandlung der Cholera soll so zu den Notleidenden gebracht werden.

Während die Lage in Simbabwe immer verfahrener wird, scheint Mugabe auch seine letzten Unterstützer zu verlieren. Zwar wurden Polizei und Militär am Dienstag angewiesen, jeden Protest schon im Keim niederzuschlagen. Doch mit Waffen ausgerüstet wurden die Einheiten nicht. "Die Armeeführung weiß nicht mehr, auf wen sie sich verlassen kann", sagt ein Insider. Vor einer Woche lösten Soldaten Unruhen in Harare aus, weil sie vor einer Bank stundenlang erfolglos auf Geld gewartet hatten. Nun gilt der Sicherheitsapparat als Risiko für die Regierung. Ein gutes Viertel der Streitkräfte, so schätzen Einwohner in Harare, steht kurz davor, zu desertieren.