Grave sagte: "Die Menschen sind Knall auf Fall vor Fakten gestellt worden, die sie nicht erahnen und nicht wissen konnten. Das ist ein Umgang mit Menschen, der jegliche Kultur des Respekts und vor allen Dingen der Partizipation vernachlässigt und in Frage stellt!"
Im Hinblick auf die Gewinne, die Nokia am Donnerstag vorgestellt hat, bedauerte Grave, dass die Wertperspektiven bei Nokia zu Ungunsten der Menschen verschoben worden seien. Im Mittelpunkt aller Bemühungen müsse jedoch immer der Mensch stehen.
Der Essener Bischof wollte zum jetzigen Zeitpunkt keine Prognose über die Standortsicherung abgeben, sagte aber: "Mein Kopf sagt mir da nichts Gutes!" Gleichzeitig versprach der Adveniat-Bischof Grave allen Betroffenen den kirchlichen Beistand. Jetzt komme es auf eine solide Nachbearbeitung und die notwenigen Gespräche an: "Als Kirche werden wir unsere guten Kontakte da voll in die Waagschale legen!"
Auch Kolpingwerk solidarisch
Auch das Kolpingwerk hat sich den Protesten gegen den Mobilfunkkonzern Nokia angeschlossen. In einer Sozialen Marktwirtschaft gebe es "elementare Spielregeln, über die die Nokia-Konzernleitung kaltschnäuzig hinweggeht". Das erklärte der Kolping-Bundesvorsitzende Dörflinger in Köln. Notwendig sei die frühzeitige und ernsthafte Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung. Weiter mangele es an Bemühungen des Konzerns, mit dem europäischen Betriebsrat zu einem für die meisten Betroffenen erträglicheren Ergebnis zu kommen.
Ersatzjobs in Rumänien?
In der kommenden Woche will die Nokia-Führung einem Pressebericht zufolge mit Verantwortlichen aus Gewerkschaft und Politik zu Gesprächen über einen Sozialplan für die Beschäftigten des Bochumer Werkes zusammenkommen. Der finnische Konzern wolle den Arbeitnehmern unter anderem anbieten, mit nach Rumänien zu wechseln, wohin die Produktion verlagert werden soll, berichtet die "Rheinische Post" (Freitagausgabe) unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise. Der Betriebsrat macht sich unterdessen Hoffnung auf den Erhalt des Werkes.
Betriebsratschefin Gisela Achenbach sagte am Donnerstagabend, die schnelle öffentliche Entschuldigung der Konzernspitze für die Bekanntgabe der Schließung wecke bei ihr die "Hoffnung, dass vielleicht noch etwas anderes hinterher kommt". Nokia könne den zunehmenden Imageschaden auf Dauer nicht aushalten. "Die knicken irgendwie ein, und sei es, dass sie uns nur noch eine halbe Produktion geben", sagte Achenbach. Nokia habe einen Namen zu verlieren. Der "Nokia-Stern am Himmel" sei bereits angekratzt.
Die Betriebsratsvorsitzende rief zugleich die Bundesregierung zum Eingreifen auf. Bei dem Versuch, die Entscheidung des finnischen Mobilfunkkonzerns rückgängig zu machen, setze man "ganz stark auf unsere Politiker, dass sie ihr Wort in Finnland einlegen".
Torsten Gerpott, Telekommunikationsspezialist der Universität Duisburg-Essen sagte, denkbar sei für ihn die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft. "Die Situation ist vergleichbar mit der Pleite des Handyherstellers BenQ Mobile. Nokia sollte für Qualifizierungsmaßnahmen wie PC-Wissen oder Fremdsprachen sorgen, damit die Beschäftigten leichter woanders unterkommen."
FDP-Chef Guido Westerwelle sicherte Achenbach derweil seine Unterstützung zu. Er hoffe, dass der Bochumer Betriebsrat Erfolg habe, sagte er. Jeder in Deutschland "mit einer gesunden Portion Patriotismus" habe das Gefühl, dass der Umgang der Konzernspitze mit den Beschäftigten "eine Sauerei" gewesen sei.
Die SPD-Spitze äußerte sich derweil verärgert darüber, dass Nokia trotz eines Rekordgewinns das Werk schließen will. SPD-Chef Kurt Beck betonte: "Ich bin wirklich empört darüber, denn das zeigt doch, das alles über diese Werksschließung völlige Rederei ist. Und das es nur darum geht, das man den Rachen nicht voll kriegt, dass man mit 15 Prozent Rendite immer noch nicht zufrieden ist. Und wenn man sieht, dass in Deutschland bei der Handyherstellung vier bis fünf Prozent maximal Lohnkosten sind, dann ist es geradezu eine Bösartigkeit zu behaupten, die Löhne seien an der Verlagerung Schuld."
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete die Werksschließung als "pure Profitgier". Er forderte die Konzernspitze auf, "ihre starre Haltung" zu überdenken. "Die Manager tragen nicht nur Verantwortung für die Aktiengewinne. Sie tragen auch Verantwortung für die Menschen, die diese Gewinne erwirtschaften", sagte Heil.
Die angekündigte Schließung des Werkes bremst bereits den Absatz von Nokia-Mobiltelefonen. "Es kommen Kunden, die explizit keine Nokia-Handys wollen", sagte Jörg Liebe, stellvertretender Verkaufsgruppenleiter Telefonie im Berliner Elektronikfachgeschäft Conrad. Auch andere Einzelhändler bestätigten, dass Nokia von manchen Kunden derzeit nicht gewünscht wird.
Nokia verdient mehr als erwartet - Weihbischof Grave fordert im domradio Erhalt des Werkes in Bochum
Schließung trotz Rekordgewinn "ein Skandal"
Der durch die geplante Schließung seines Bochumer Werks in die Kritik geratene finnische Mobiltelefonkonzern Nokia hat 2007 deutlich mehr Geld verdient als erwartet. Das gab Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo am Donnerstag in Helsinki bekannt. Der Bochumer Nokia-Betriebsrat forderte das Unternehmen deshalb auf, die Produktion im Ruhrgebiet zu erhalten. Der Weihbischof des Bistums Essen, Franz Grave, hat im domradio-Interview die Umstände um die geplanten Entlassungen bei Nokia in Bochum scharf kritisiert.
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