OECD stellt deutschem Bildungssystem schlechtes Zeugnis aus

Zu wenige Hochschüler - zu viele Schulabbrecher

Das deutsche Bildungssystem weist im internationalen Vergleich weiter erhebliche Defizite auf. Dies geht aus der neuen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Danach ist Deutschland aufgrund des Akademikermangels derzeit nicht in der Lage, Ingenieure, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, durch junge Absolventen zu ersetzen. Bei Pädagogen sei das Verhältnis zwischen Jungakademikern und aus dem Beruf Ausscheidenden noch ungünstiger.

 (DR)

Bildung als Wirtschaftsfaktor
Positiv bewertet die Studie die Abschlussrate von 80 Prozent in der Sekundarstufe II., also einer abgeschlossene Lehre oder dem Abitur. Hier beträgt der OECD-Durchschnitt 68 Prozent. Doch nehmen nur 70 Prozent der Studienberechtigten eine Hochschulausbildung auf, von denen wiederum 30 Prozent das Studium abbrechen.

Eine leistungsfähige Ausbildung an den Hochschulen sei ein strategischer Faktor für wirtschaftliches Wachstum und sozialen Fortschritt. In diesem Bereich gebe die internationale Position Deutschlands einigen Anlass zur Sorge", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Präsentation der Studie. Deutschland führe mittlerweile einen deutlich geringeren Anteil eines Jahrgangs zu einem akademischen Abschluss als der Durchschnitt der OECD-Länder. So kämen in Deutschland nur 32 Ingenieure auf 1000 Personen eines typischen Abschlussjahrgangs, im OECD-Mittel seien es 44. Bei anderen naturwissenschaftlich-technischen Fächern sei die deutsche Absolventenquote im OECD-Vergleich ähnlich gering.

Berufsausbildung statt Universitätsabschluss
Bei den gesamten Universitätsabschlüssen fiel Deutschland im OECD-Vergleich in den vergangenen 30 Jahren von Rang zehn auf Rang 22 zurück. Als Grund nannte OECD-Generalsekretär Angel Gurria den rasanten Ausbau der Bildungssysteme in anderen Ländern. Deutschland halte hier trotz Verbesserungen nicht Schritt. Inzwischen strebt im OECD-Durchschnitt jeder zweite Schüler eines Jahrgangs eine universitäre Bildung an.  
Die Abschlussquote bei Universitäten und Fachhochschulen lag in Deutschland 2005 bei 20 Prozent, im OECD-Mittel bei 36 Prozent.

Der Deutsche Philologenverband DPhV wies die Kritik der OECD an einer zu niedrigen Akademikerquote nachdrücklich zurück. Ihr Bundesvorsitzender Heinz-Peter Meidinger verwies auf das Duale System mit "hoch angesehenen Berufsakademien und Berufsfachschulen". So benötige etwa eine Krankenschwester in den USA einen Bachelor-Abschluss, während sie in Deutschland eine qualitativ ebenso gute berufspraktische Ausbildung genieße. Zudem hätten in Deutschland Lang- und Vollzeitstudiengänge Vorrang, während in anderen Ländern Kurzstudiengänge mit geringerwertigen Abschlüssen dominierten.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte für den Herbst eine nationale Qualifizierungsinitiative an mit Schwerpunkten bei der frühkindlichen Bildung, der Integration und der deutlichen Reduzierung der Schulabbrecherquote. Die Ministerin verwies zudem auf den Hochschulpakt und das verbesserte BAFöG, um die Studentenzahlen zu erhöhen und Chancengleichheit zu sichern.

Bildung hängt von sozialer Herkunft ab
Zudem sei in Deutschland das Erreichen eines Hochschulabschlusses nach wie vor stark abhängig von der sozialen Herkunft. So sei der Anteil von Akademikerkindern an Hochschulstudenten 2,2 mal so hoch, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspreche. "Kinder werden hierzulande bereits mit zehn Jahren auf unterschiedliche Bildungswege verteilt. Wer aus einer benachteiligten Familien kommt, wird dabei eher auf einen Bildungsweg geleitet, der eine geringere Leistung erwarten lässt", kritisierte der OECD-Generalsekretär.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), forderte: "Wir müssen mehr Jugendliche aus Zuwandererfamilien dafür gewinnen, ein Studium aufzunehmen." Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) mahnte, die Politik müsse das Interesse von Frauen an technischen Berufen stärker wecken. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach sich für eine Anhebung des BAFöG um zehn Prozent und für längere gemeinsame Lernzeiten von Kindern in der Schule ein. Auch müsse mehr in Bildung investiert werden.

Die Grünen-Bildungsexpertin Priska Hinz bezeichnete die Studie als "schallende Ohrfeige" für die Bildungspolitik der Bundesregierung. "Campus-Maut, BAFöG-Knauserei und Studienplatzmangel" stünden Studienberechtigten im Weg, kritisierte Hinz.

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