Bisher 100 Anträge auf PID in Deutschland

Geringe Nachfrage

Die politisch lange umstrittene genetische Untersuchung von Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter wird in Deutschland bislang kaum genutzt. Allerdings können noch nicht überall Anträge gestellt werden.

Blutprobe einer Schwangeren (dpa)
Blutprobe einer Schwangeren / ( dpa )

In Deutschland haben seit 2014 rund 100 Frauen die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) beantragt. Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Unterrichtung der Bundesregierung an den Bundestag wurden bis Mitte des Jahres 34 Untersuchungen tatsächlich vorgenommen. Vor allem in den nördlichen Bundesländern wurden seit 2014 entsprechende Anträge gestellt, wie der MDR Thüringen am Sonntag unter Berufung auf eigene Recherchen berichtete. Die in Hamburg angesiedelte Ethikkommission der Länder Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen befürwortete demnach alle 53 bisher eingereichten Anträge.

Die ungleiche regionale Verteilung mag allerdings daran liegen, dass die Hamburger Ethikkommission bereits im Frühjahr 2014 eingerichtet wurde. Die beiden Kommissionen für Bayern sowie für die südwestlichen Bundesländer, Sachsen und Thüringen nahmen dagegen erst im Sommer 2015 ihre Arbeit auf. In Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen-Anhalt können bisher keine Anträge auf Präimplantationsdiagnostik gestellt werden. Bundesweit wird mit etwa 300 Untersuchungen jährlich gerechnet.

Gesetz 2011 verabschiedet 

Bei der Präimplantationsdiagnostik werden die außerhalb des Körpers erzeugten Embryos vor ihrer Implantation in die Gebärmutter einer Frau auf genetische Defekte untersucht. Nach jahrelangen Debatten hatte der Bundestag 2011 ein Gesetz verabschiedet, das die umstrittene Methode zwar grundsätzlich verbietet, unter engen Voraussetzungen aber zulässt. Erlaubt ist sie nur Paaren, bei denen beide eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder das Risiko einer Fehlgeburt sehr hoch ist.

Um die Bundestagsentscheidung hatte es heftige Kontroversen gegeben. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der heutige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) stimmten gegen das Gesetz, dessen Umsetzung noch viel Zeit in Anspruch nahm. Die Verordnung zur Anwendung des Diagnoseverfahrens ist erst seit Februar 2014 in Kraft. Seitdem können Paare es in Deutschland nutzen.

Ethikkommission muss entscheiden

Voraussetzung für eine PID ist, dass eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission die Einhaltung der Voraussetzungen prüft und ihre Zustimmung gibt. Fünf Ethikkommissionen soll es bundesweit geben. Gegenwärtig sind zehn klinische Zentren für die nachfolgende Durchführung des Verfahrens zugelassen. Sie befinden sich ausnahmslos in den alten Bundesländern. Die Kosten in Höhe von deutlich über 10.000 Euro für eine PID müssen von den Frauen selbst gezahlt werden.

Kritiker wie die Kirchen befürchten, dass die Methode auch zur Diskriminierung Behinderter und zur Selektion von Embryonen nach Merkmalen wie dem Geschlecht führen könnte. Eine Begrenzung der PID auf wenige schwere Fälle halten sie unter Verweis auf Entwicklungen in den USA und Großbritannien für unrealistisch. Der CDU-Abgeordnete und frühere Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, bemängelt, dass weder gemeldet noch erfasst werde, nach welchen Kriterien die Ethikkommissionen entscheiden. «Die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber werden nie erfahren, wie restriktiv oder lax die PID in Deutschland gehandhabt wird.» Hüppe befürchtet zudem ein Kommissionen-Hopping der Antragsteller.

Keine eindeutige Definition

Dagegen verweist das Bundesgesundheitsministerium darauf, dass die Bundesregierung verpflichtet sei, dem Bundestag alle vier Jahre über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik zu berichten. Anhand des vorgeschriebenen Datensatzes könnten Trends in Bezug auf eine mögliche Ausweitung der PID erkannt werden, sodass "für den Gesetzgeber die Möglichkeit besteht, einer Entwicklung entgegenzusteuern, die nicht dem gesetzlich vorgesehenen Ausnahmecharakter der Präimplantationsdiagnostik entspricht".

Fakt ist, dass der Gesetzgeber ausdrücklich darauf verzichtet, bestimmte Erbkrankheiten als "schwerwiegend" zu definieren. Damit soll nicht zuletzt verhindert werden, dass Selektionskriterien eingeführt werden. Zudem müsse die Ethikkommission immer die "jeweils vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalls" bewerten, heißt es.


Quelle:
KNA