Forschungsprojekt untersucht protestantischen Beitrag zu Ethikdebatten der alten Bundesrepublik

Der Protestantismus in der Bonner Republik

Die Mitwirkung von Protestanten in den gesellschaftspolitischen Debatten der Bonner Republik ist vielfältig belegt. Ein Forschungsprojekt untersucht jetzt, wie protestantische Stimmen die Entwicklung in der alten Bundesrepublik beeinflusst haben.

Gedenktafel zur EKD-Gründung in Treysa / © Andreas Fischer (epd)
Gedenktafel zur EKD-Gründung in Treysa / © Andreas Fischer ( epd )

Ein Verbund von Forschern aus Göttingen und München geht anhand ausgewählter Themen der Frage nach, welche Rolle der Protestantismus in den ethischen Debatten zwischen 1949 und 1989 spiegelte und wie er sich selbst unter dem Eindruck dieser Debatten gewandelt hat. Die Mitglieder kommen aus den Disziplinen Evangelische Theologie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Zeitgeschichte. Das Projekt wird seit Juni 2013 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.

Sprecher der Forschergruppe sind der Theologieprofessor Christan Albrecht und der Sozialethiker Reiner Anselm (beide München). Weitere Mitglieder sind der Politikwissenschaftler Andreas Busch und der Staatsrechtler Hans Michael Heinig (beide Göttingen), die Historikerinnen Christiane Kuller (Erfurt) und Claudia Lepp (München) sowie der Systematische Theologe Martin Laube aus Göttingen. Daneben ist ein Team jüngerer Wissenschaftler an dem Projekt beteiligt.

Im Blick: Dokumente und Akteure

Zentrale Themen aus den 1950er und 1960er Jahren, die von den Forschern untersucht werden, sind neben anderen das Verhältnis von Mann und Frau, Ehe und Familie, Westintegration, Wiederbewaffnung, Friedensethik und nationale Identität, Verfassung, Demokratie und Recht, Wirtschaftsordnung und Sozialstaat, sowie Technik, Ökologie und Naturverständnis. Die Wissenschaftler stützen sich dabei keineswegs allein auf Stellungnahmen und Dokumente von EKD, Landeskirchen und anderen kirchlichen Organisationen. Vielmehr nehmen sie auch protestantische Akteure - Laien und Theologen - in den Blick.

Im Nachkriegsprotestantismus dominiere die Überzeugung, dass gerade das Protestantische immer auch Verantwortungsübernahme für die Gestaltung des Gemeinwesens bedeutet, folgern die Theologen Albrecht und Anselm in einer ersten Analyse. Dieses Engagement von Protestanten könne sich "durchaus mit einem elitären, im Grunde undemokratischen Gestus der stellvertretenden Meinungsbildung und der stärkeren, weil theologischen Autorisierung der eigenen Position" einhergehen. Doch derartige Anmaßungen würden durch den innerprotestantischen und gesellschaftlichen Pluralismus rasch abgeschliffen.

Auch die Mitwirkung von Protestanten in den Parteien spiele hierbei eine wichtige Rolle. "Gerade das Interesse, an der politischen Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken, führte dazu, dass sie sich den Mechanismen des politischen Systems unterwerfen mussten", lautet ein Befund in der Studie.


Quelle:
epd