Evangelische Kirche würdigt Moderator Domian

Verlässlichkeit in Kümmernächten

Der Talkshow-Gastgeber Jürgen Domian erhält den Robert-Geisendörfer-Preis. Die Evangelische Kirche würdigt damit "die verlässliche Stimme, die da ist, wenn die Nacht vor lauter Kummer zu schwer wird".

Jürgen Domian (dpa)
Jürgen Domian / ( dpa )

Den Radiomoderator Jürgen Domian haben 20 Jahre und mehr als 20.000 Interviews mit Ratsuchenden "vor allem demütig gemacht". Er werde jede Nacht mit so viel Leid und so vielen erschütternden Geschichten konfrontiert, dass das seine eigenen Probleme sehr relativiere, sagte Domian dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Köln. "Das macht einem klar, wie gut man es hat."

"Dienst am Nächsten"

Für seine Arbeit ist der 57-Jährige am Dienstag von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Sonderpreis des Robert-Geisendörfer-Preises 2015 ausgezeichnet worden. Der Moderator gebe "allen eine Stimme, ohne seine eigene aufzugeben". Dies sei "Dienst am Nächsten" und "damit preiswürdig".

Domians gleichnamige Ratgeber-Sendung wird montags bis freitags ab ein Uhr morgens im WDR-Jugendsender 1Live und im WDR-Fernsehen gesendet. Der 57-Jährige unterhält sich mit den Anrufern über deren Probleme und ist Kummerkasten und Beichtvater zugleich. Manche Gesprächspartner erzählen von Schicksalsschlägen, andere berichten von ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben und manche auch von Gewalttaten, die sie verübt haben. "Ich weiß selbst nie, was ich als nächstes in der Leitung habe", sagt Domian. "Sonst wäre ich weniger authentisch und spontan."

Sein Menschenbild habe sich in all den Jahren allerdings verändert, räumt er ein. "Ich habe in so viele Abgründe geschaut, dass sich das doch ins Negative verschoben hat." Das werde aber aufgefangen durch die "vielen wahnsinnig couragierten, mutigen Leute" unter seinen Anrufern: "Und dann denke ich ganz oft: 'Mein Gott, was für ein toller Mensch.'"

Team aus Journalisten und Psychologen

Zu seinen schönsten Momenten gehöre es, wenn er und sein Team aus Journalisten und Psychologen längere Zeit nach einer Sendung noch eine Rückmeldung von einem Anrufer bekommen. "Wenn jemand, der sexuell missbraucht wurde, etwa sagt: 'Ihr habt mich dazu gebracht, nach 20 Jahren endlich zu einem Therapeuten zu gehen'. Das ist dann toll."

Die schwierigsten Gespräche seien die mit Sterbenden oder mit Menschen, die gerade einen Angehörigen verloren haben. "Da stoße ich an meine Grenzen", gesteht Domian. "Was sagt man etwa einer Mutter, deren Kind entführt, missbraucht und ermordet wurde?" In solchen Augenblicken könne er nur für die Anrufer da sein und zuhören.

Nachtarbeit zehrt an Moderator

Ende 2016 will der Moderator seine Kultsendung aufgeben. Die Nachtarbeit zehre an ihm und falle ihm schwerer als früher. Was nach der Ratgeber-Sendung kommt, weiß er noch nicht. Aber er könne sich gut vorstellen, eine Talkshow zu moderieren, mit ganz normalen Studiogästen und ohne Promis, sagt Domian. Auch mit einem Wechsel ins Fernsehen liebäugelt er: "Nach 20 Jahren am Telefon würde ich meine Gesprächspartner gern auch mal sehen."

Der Robert-Geisendörfer-Preis wird seit 1983 alljährlich im Gedenken an den christlichen Publizisten Robert Geisendörfer (1910-1976) verliehen. Ausgezeichnet werden Hörfunk- und TV-Sendungen aus allen Programmsparten, die das persönliche und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen. Mit dem Sonderpreis wird darüber hinaus eine exemplarische publizistische oder künstlerische Leistung gewürdigt.

Die Verleihung des Medienpreises der Evangelischen Kirche findet am 18. September beim Rundfunk Berlin-Brandenburg in Berlin statt. Die weiteren Preisträger werden Ende August bekannt gegeben.

 


Quelle:
epd