Eine Einschätzung von domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen

"Ohne Vertrauen hat der Limburger Bischof keine Chance mehr"

Alle reden über den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Im domradio.de-Interview tut das jetzt auch domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

domradio.de: Zunächst zum aktuellen Sachstand: Was weiß man denn aus Rom?

Brüggenjürgen: Also, halten wir mal rein die Fakten fest bei all den Spekulationen. Es sind jetzt zwei, mindestens zwei deutsche Bischöfe in Rom, von denen wir das wissen. Das eine ist der geplante Besuch des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, der schon in der vergangenen Woche bei der Bundespressekonferenz sehr deutlich sich distanziert hat und gesagt hat, er wird die Sache zur Sprache bringen. Dieser Besuch war langfristig geplant. Wenn man das Programm richtig studiert, war ein Treffen für mit dem Heiligen Vater für Donnerstag geplant. Das kann aufgrund der aktuellen Lage gegebenenfalls vorgezogen werden. Dann ist auch vor Ort der umstrittene Bischof aus Limburg, Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er ist spontan geflogen, und da gab es ja auch einige Irritationen am Wochenende, wann fliegt er, fest halten wir mal: Er ist da. Und jetzt wird er sich dort auch um einen entsprechenden Rückhalt bemühen. Was in der Presse so auftauchte, ein Wettlauf zwischen den Beiden, das ist völliger Quatsch. Im Vatikan kommt es nicht darauf an, wer zuerst mit dem Heiligen Vater gesprochen hat, das ist doch Kindergarten. Ich glaube, das man jetzt hier gemeinsam nach einer Lösung suchen muss.

domradio.de: Was kann denn jetzt der Vatikan, also Papst Franziskus, entscheiden? Welche Möglichkeiten gibt es da eigentlich?

Brüggenjürgen: Ich glaube mal, der Papst und der Vatikan haben jetzt das Heft des Handelns in der Hand. Die eleganteste Lösung wäre, wenn der Bischof von Limburg selber seinen Rücktritt anbieten würde. Sowas gibt es im Kirchenrecht, das ist vorgesehen natürlich, wenn ein Bischof ein gewisses Alter erreicht hat. Das ist auch vorgesehen in besonders schweren Fällen von Krankheit oder anderen Dingen. Dann könnte der Papst diesen Rücktritt annehmen. Alles andere wird ein wenig schwieriger, weil es gibt kein spezielles Amtsenthebungsverfahren für Bischöfe. Es gibt sowas für Priester und ganz allgemein könnte man das dann deuten, da hat der Papst natürlich schon Möglichkeiten. Das wäre aber viel schwieriger. Eigentlich wirkt der Papst immer darauf hin, dass der Bischof selber diesen Rücktritt einreicht. Dann kann er nämlich entsprechend reagieren. Dritte Möglichkeit, die es auch noch gibt, man gönnt vielleicht dem Limburger Bischof eine Art Auszeit und stellt einen Auxiliarbischof, also einen Hilfsbischof, dorthin. Einen Gesandten, der dann die Geschicke des Bistums für eine begrenzte Zeit lang führt. Alles das ist möglich.

domradio.de: Der Bischof Tebartz-van Elst ist ja auch heute wieder in den Schlagzeilen ganz oben. Es ist ein Medienphänomen, was wir so auch nicht alle Tage haben, oder?

Brüggenjürgen: Nein, das sprengt nun wirklich alle Dimensionen. Das ist noch größer, würde ich sagen, als bei dem neuen Papst und dem Papst-Rücktritt. Es gibt ganze Sonderseiten, Sondersendungen im Fernsehen, die Medien überschlagen sich geradezu, obwohl es gar nicht so viele Neuigkeiten gibt. Am Wochenende dieses Hin und Her, dieses Theater mit dem Ist-er-schon-geflogen-fliegt-er-noch. Man hat fast den Eindruck, als wenn ein Schwerstverbrecher irgendwo auf der Flucht verfolgt wird. Es geht hier natürlich um einen Wettlauf mit den besten Schlagzeilen. Wenn man heute in den "Spiegel" schaut, auch dort hat es der Limburger Bischof auf den Titel gebracht. Ich kann mich gar nicht entsinnen, wann ein normaler Bischof es das letzte Mal auf einen "Spiegel"-Titel gebracht hat. Und dort firmiert er unter dem Titel "Gottes teurer Diener", und man hat seine lila Mozetta mit einem 500-Euro-Schein geschmückt. Also, das ist jetzt doch eine ganz neue Dimension, die da ans Tageslicht tritt.

domradio.de: Das sind die traditionellen Medien. Was ist in den sogenannten Neuen Medien, also im Internet, in den sozialen Medien?

Brüggenjürgen: Eine Flut, auch eine Welle, die so vorher noch nicht da gewesen ist. Natürlich kennen wir vielleicht das in der ein oder anderen Sache, ich nehme mal diese Diskussion um den Bundespräsidenten. Aber innerhalb der katholischen Kirche kann ich mich nicht erinnern, wann es ein solches Medienecho gab. Es gibt entsprechende Twitter-Einträge, die nahezu im Minutentakt die neuesten Nachrichten vermelden. Aber man ist mittlerweile längst über die reine Faktenlage hinweg, also wir haben am Wochenende ja nochmal die ganzen Bauakten und all das schön runterladen und anschauen können. Mittlerweile wird kübelweiese Spott und Hohn über den Bischof von Limburg ausgeschüttet und im Netz übertrifft man sich mit den besten Cartoons, mit den besten Sprüchen. Und das ist natürlich sehr, sehr bitter. Auch bei n-tv, jetzt aktuell wieder, man kann abstimmen, ob der Bischof im Amt bleiben soll oder nicht. Das ist eine Dimension, die haben wir so nicht gehabt. Das sind in der Tat neue und spannende Zeiten, die angebrochen sind.

domradio.de: Warum emotionalisiert deses Thema denn so? Was denkst Du?

Brüggenjürgen: Also, das ist, glaube ich, relativ einfach, weil Medien brauchen schwarz/weiß-Kontraste, dann kann man ein Thema schillernd darstellen und wir haben mit dem Amtsantritt von Papst Franziskus dort einen Mann, der eine ganz andere Art der Amtsführung hat, der ein ganz anderes Verständnis vom Amt hat. und da ist es natürlich schön, dass man da diesen Kontrast aufzeichnet: auf der einen Seite der angebliche Protz-Bischof, der das Geld ja nur so raushaut, und auf der anderen Seite der bescheidene Papst. Ich glaub, so einfach ist dieses Bild nun auch nicht. Das sind zwei Gottesmänner, die beide auf dem Weg sind, das Evangelium zu verkünden. Aber, ohne Frage, Bischof Tebartz-van Elst hat sicherlich auch Fehler gemacht. Da sind Unzulänglichkeiten passiert. Das ist aber im Moment gar nicht mehr das Ding, ob der Bischof Fehler gemacht hat oder nicht. Wir müssen festhalten, der Bischof hat das Vertrauen verloren - das braucht ein Bischof in seiner Diözese - dadurch, dass ihm die Öffentlichkeit das Vertrauen nicht mehr gibt, hat Bischof Tebartz-van Elst eigentlich gar keine Chance.


Quelle:
DR