Zensus 2011 liefert frische Daten

Deutschland neu vermessen

Deutschland hat 80,2 Millionen Einwohner und damit 1,5 Millionen weniger als bisher angenommen. Im domradio.de-Interview erklärt Sabine Bechthold, Projektleiterin beim Statistischen Bundesamt, warum diese und weitere Zensus-Zahlen so wichtig sind.

Zensus 2011 (dpa)
Zensus 2011 / ( dpa )

Etwa 53,2 Millionen Christen lebten zum Stichtag in Deutschland. Davon wohnten 10 Millionen in Bayern und 8 Millionen in Baden-Württemberg. Von den Christen gehörten danach 24,7 Millionen der katholischen und 24,3 Millionen der protestantischen Kirche an.

Laut Statistikamt erklärt sich die Differenz zur Gesamtzahl der Christen dadurch, dass die Gruppen der orthodoxen Christen sowie sonstige Christen nicht einzeln aufgeführt wurden. 4 Millionen Menschen gaben an, einer anderen Religion oder Weltanschauung anzugehören. 8 Millionen gehörten danach keiner Religion an. Rund 14 Millionen Menschen machten laut Zensus keine Angaben zur Religionszugehörigkeit.

Weniger Ausländer

Am meisten überrascht habe die Statistiker, wie stark der Anteil der Ausländer überschätzt wurde, erklärte in Berlin am Freitag Roderich Egeler , Präsident des Statistischen Bundesamtes. Tatsächlich leben 1,1 Millionen Ausländer (15 Prozent) weniger im Land als nach den bisherigen Annahmen. Bei den Deutschen macht die Differenz entsprechend nur rund 400.000 Personen aus. Das Plus und Minus bei den Einwohnerzahlen verteilt sich unterschiedlich. Berlin hat 5,2 Prozent weniger als angenommen und Hamburg 4,6 Prozent weniger, während Rheinland-Pfalz offenbar ein präzises Meldewesen besitzt. Der Zensus erbrachte praktisch keine Abweichung.

Die bisherigen Daten beruhten auf der Fortschreibung der Bevölkerung anhand von Stichprobenzählungen für den Mikrozensus, die letztmalig am 30. April 2011 festgehalten wurden. Stichtag des Zensus 2011, der ersten gesamtdeutschen Volkszählung, ist der 9. Mai.

Mehr Wohnungen

Auch beim Immobilieneigentum zeigten sich Unterschiede: Zum Stichtag gab es 41,3 Millionen Wohnungen. Das waren 500.000 mehr als angenommen. Der Leerstand beträgt im Bundesdurchschnitt 4,4 Prozent. Chemnitz (fast 14 Prozent) ist die Stadt mit den meisten leeren Wohnungen. Die durchschnittliche Wohnungsgröße ist im Osten geringer als im Westen.

Einen Migratonshintergrund haben knapp 19 Prozent der Bevölkerung, davon besitzen 60 Prozent den deutschen Pass. Als Migrant gilt, wer nach 1955 entweder selbst zugewandert ist oder mindestens einen zugewanderten Elternteil hat. Über die Religionszugehörigkeit des Drittels der Bürger, die keine Christen sind, können die Wiebadener Statistiker keine präzisen Angaben machen, da etwa jeder Sechste die Angabe verweigert hat. Daher seien insbesondere die Zahlen zum Judentum und zum Islam zu ungenau, sagte Egeler.

Kritik an der Volkszählung

Bei der Altersstruktur erlebten die Statistiker keine Überraschung. 21 Prozent der Bürger waren 2011 älter als 65 Jahre, 42 Prozent waren über 50 Jahre alt. Die unter 18-Jährigen machten einen Anteil von 15,7 Prozent aus. Auch bei der Bildung bestätigt der Zensus Bekanntes: Die Jüngeren haben durchweg höhere Schul- und Berufsabschlüsse als die Älteren.

Die Daten sind Ergebnis einer umfassenden Volkszählung. Dafür wurden zum Stichtag 9. Mai 2011 Datenbestände wie Melderegister ausgewertet. Zusätzlich wurden rund zehn Millionen zufällig ausgewählte Bürger unter anderem zu Familienstand, Staatsangehörigkeit und Religionszugehörigkeit befragt sowie 17,5 Millionen Eigentümer um Auskunft über ihre Wohnungen und Häuser gebeten.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar übte Kritik an der Volkszählung und legte Eckpunkte für Änderungen bei der nächsten Volkszählung vor. Unter anderem monierte er, dass die in Deutschland erhobenen Merkmale über die Vorgaben der Europäischen Union hinausgehen. So sei nicht vorgeschrieben, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und das Bekenntnis zu einer Religion, Glaubensrichtung oder Weltanschauung abzufragen. In Deutschland drangen die Kirchen und Länder auf die Erhebung dieser Merkmale. Anders als bei den von der EU geforderten Daten war die Angabe zum Bekenntnis aber freiwillig.

Der Zensus 2011 war erste Volkszählung seit der Wiedervereinigung. In der Bundesrepublik fand der letzte Zensus 1987, in der DDR 1981 statt. Die nächste Volkszählung steht nach EU-Vorgaben für 2021 an. Nach den Bevölkerungszahlen richten sich unter anderem die Zusammensetzung des Bundesrats, die Einteilung der Wahlkreise sowie der Länderfinanzausgleich. Zu den Konsequenzen wollten die Statistiker noch nichts sagen. Die Zusammensetzung des Bundesrats ändert sich aber nicht.