Russland verschärft sein Blasphemiegesetz

Schlechte Zeiten für Gotteslästerer

Gut ein Jahr nach der Protestaktion der Band "Pussy Riot" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale bekommt Russland ein strengeres Blasphemiegesetz. Wer religiöse Gefühle verletzt, muss künftig bis zu drei Jahre ins Gefängnis.

Autor/in:
Oliver Hinz
Pussy Riot in der Moskauer Kathedrale (dpa)
Pussy Riot in der Moskauer Kathedrale / ( dpa )

Auf diese Höchststrafe - die derjenigen in Deutschland entspricht - verständigte sich das russische Parlament am Dienstag bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs. Nun befürchten der Menschenrechtsrat beim Staatspräsidenten und andere Gegner der Gesetzesverschärfung eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Kritiker der Kirche würden mundtot gemacht.

Weit auseinander gehen die Meinungen über den Schutz der Gläubigen vor Beleidigungen auch im Parlament. "Viele Bürger, die nie religiöse Gefühle verletzen wollten, können durch die Gesetzesänderung in Schwierigkeiten geraten", warnte der Chef der linken Oppositionspartei Gerechtes Russland, Sergej Mironow. Seine Fraktion wollte der zweiten Abstimmung deshalb fernbleiben. Der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski unterstützt hingegen die Initiative. Religionen spielten in Russland eine immer größere Rolle, sagte er nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Es sei besser, im Kampf gegen Gotteslästerer "leicht überzureagieren" als Konflikte insbesondere mit Muslimen in Kauf zu nehmen, die ihre religiösen Gefühle verletzt sähen.

Das neue Gesetz fällt nach der massiven Kritik von Menschenrechtsaktivisten milder aus als anfangs geplant. Bei der ersten Lesung im April sah der parteiübergreifende Entwurf noch eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft für die Schändung von Kirchenräumen sowie von drei Jahren für die Beleidigung von Gläubigen vor. Nun soll der bestehende Paragraf 148 des Strafgesetzbuchs so geändert werden, dass auf die Beschimpfung von Glaubensgemeinschaften und die Schändung ihrer Kultstätten bis zu 12.400 Euro, 480 Stunden gemeinnützige Arbeit und drei Jahre Haft stehen. Bisher liegt die Höchststrafe bei drei Monaten Haft.

304 Abgeordnete stimmten für die Reform

Für die Reform stimmten 304 Abgeordnete, vier votierten dagegen. Ein Parlamentarier enthielt sich. Zum Inkrafttreten der Neuregelung ist eine weitere Lesung im Parlament nötig. Auch in Deutschland liegt die Höchststrafe bei drei Jahren. "Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft", heißt es in Paragraf 166 des Strafgesetzbuchs.

Die Regierungspartei Geeintes Russland rechtfertigt die Gesetzesinitiative mit einer Zunahme der Verunglimpfungen von Glaubensgemeinschaften und Schändungen von religiösen Stätten. Ihr Abgeordneter Michail Markelow verwies neben Morden an muslimischen Geistlichen und Friedhofschändungen auf den schrillen Auftritt von "Pussy Riot" in der größten orthodoxen Kirche Moskaus vom Februar 2012. Vor dem Altar zogen die Punkmusikerinnen über Wladimir Putin, der kurz danach zum Staatspräsidenten gewählt wurde, sowie den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. her.

"Rowdytums aus religiösem Hass"

Unter dem Vorwurf des "Rowdytums aus religiösem Hass" wurden zwei Bandmitglieder zu zwei Jahren Lagerhaft und eine dritte Musikerin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Für diesen Tatbestand sieht das bestehende Strafrecht bis zu sieben Jahre Haft vor. Die orthodoxe Kirche drängte nach dem Skandalauftritt auf eine Anhebung der Höchststrafe für die Verletzung religiöser Gefühlen.

Wie schlecht die Zeiten für Kirchenkritiker in Russland heute sind, zeigt ein Urteil gegen den Chef der russischen Verbraucherschutzorganisation OZPP, Michail Anschakow, vom Freitag.

Wegen Verleumdung der orthodoxen Kirche muss er nach einer Moskauer Gerichtsentscheidung 2.500 Euro Geldstrafe zahlen. Anschakow hatte im September in einem Zeitungsinterview behauptet, die Kirche unterhalte im Untergeschoss der Christ-Erlöser-Kathedrale ein unzulässiges Geschäftszentrum mit 15 Firmen. Dagegen erstatte der Vorsitzende der zuständigen Kirchenstiftung erfolgreich Strafanzeige.


Quelle:
KNA