Westfälische Kölner Erzbischöfe und der Karneval

Zwei Mentalitäten

Landläufig wird der Rheinländer als frohsinnig, redselig und unzuverlässig beschrieben, der Westfale hingegen als eher bodenständig, treu und verschlossen bis stur. Wie hielten es westfälische Kölner Erzbischöfe mit dem Karneval?

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

«Viel löblicher, ein Buch zu lesen, denn Fest und lautes Gassenwesen», mahnte schon der spätmittelalterliche Dichter Jakob Püterich von Reichertshausen. Man liebt oder verflucht es, das katholische Karnevalsgetöse im späten Winter. Auch bei der kirchlichen Obrigkeit kommt nicht immer gut an, was die Untertanen vor der österlichen Fastenzeit so alles treiben. Der Kölner Kirchenhistoriker Hermann-Josef Scheidgen hat die Vorstellung des Dreigestirns bei Papst Benedikt XVI. durch Kardinal Joachim Meisner im Februar 2011 zum Anlass genommen, die Haltung der westfälischen Kölner Erzbischöfe zum Karneval zu untersuchen. Er stieß auf ein Mentalitätsproblem.

Landläufig wird der Rheinländer als frohsinnig, redselig und unzuverlässig beschrieben, der Westfale hingegen als eher bodenständig, treu und verschlossen bis stur. Dieser Übertreibung wird man einen wahren Kern nicht absprechen können. Von den elf Erzbischöfen, die das Erzbistum seit seiner Neugründung 1821 regierten, waren fünf aus Westfalen. Sie entsprachen - bei aller individuellen Verschiedenheit - durchaus dem skizzierten Klischee. Und sie amtierten jeweils in politisch prekären Zeiten.

Der erste, Ferdinand August Graf von Spiegel (1825-1835), gehörte dem aufgeklärten Katholizismus an. Er war ein exzellenter Organisator, jedoch von verschlossenem Wesen. Zu seinen wenigen überlieferten öffentlichen Äußerungen gehört, dass er 1830 das Verbot der Zeitschrift der Kölner Karnevalsgesellschaft durch die preußischen Behörden begrüßte: «Der hiesige Karneval oder doch die Lustigmacher und genussgierigen Menschen scheinen die Karnevalszeitung ungern zu entbehren, und es werden Versuche gemacht, das ehrenschänderische Blatt wieder ins Leben zu rufen.»

Kölner Wirren
Spiegels Nachfolger, Clemens August Droste zu Vischering (1836-1842/45), sorgte mit seiner unbeugsamen Sturheit nicht nur für eine handfeste Krise zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche, die 1837/38 als «Kölner Ereignis» in die Geschichte einging:
Der Erzbischof wurde wegen Insubordination festgenommen und in der Festung Minden inhaftiert. Die «Kölner Wirren» gefährdeten vor 175 Jahren auch den Rosenmontagszug 1838. Durfte man Brauchtum feiern, wenn der eigene Hirte von der Obrigkeit festgesetzt war? Eine feierfreudige Minderheit im Kölner Rat setzte sich durch. Man zog also - allerdings ohne politische Anspielungen.

Auch unter dem Erzbischof im Kulturkampf, Paulus Melchers (1866-1885), sind warnende Töne aus dem Generalvikariat zu hören; es könne sich beim Faschingstreiben an Aschermittwoch um eine Travestie kirchlicher Zeremonien handeln. In den 80er Jahren häuften sich Klagen über Sittlichkeitswidrigkeiten. Die Kirche sei zwar keine Feindin der Fröhlichkeit, sondern eher eine des Trübsinns und des finsteren Ernstes, hieß es; die Freude müsse aber «im Herren» sein.
In diesen Jahren, so Scheidgen, verlegte sich der Karneval der praktizierenden Katholiken zunehmend in die Pfarreien und katholischen Vereine.

Statt buntem Treiben Teilnahme an Einkehrtagen
Unter Felix von Hartmann (1912-1919) und Karl Josef Schulte (1919-1941) empfahl die Kirchenleitung statt buntem Treiben die Teilnahme an Einkehrtagen. Schulte plädierte gar für eine Abschaffung des Karnevals. Feiern sei nur sinnvoll, wenn ihm ein strenges Fasten folge; die Ehe werde gefährdet, und der Karneval sei so kostspielig, dass ihn sich viele gar nicht leisten könnten. Die Kölner Kirchenzeitung schimpfte 1925: «Nachtkultur war aber immer das Zeichen sterbender Völker, ... keine jugendfrische Freude mehr. Sie brauchen das Berauschende und Aufreizende, ... wie der Morphinist sein Gift braucht, um arbeitsfähig zu bleiben.»

Schulte soll allerdings als Bonner Verbindungsstudent selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Wegen eines Wirtshausbesuches wurde er des Priesterkonviktes Collegium Albertinum verwiesen. Als Schulte nun 1919 als neuer Erzbischof zurückkehrte, soll ein Domkapitular geulkt haben: «Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden.»

Hinweis: H.-J. Scheidgen: Die nachnapoleonischen westfälischen Erzbischöfe von Köln und der rheinische Karneval, in: Kirche und Gesellschaft im Wandel der Zeiten. Festschrift G. Adrianyi, Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2012, S. 347-370.
 


Quelle:
KNA