Der Religionsphilosoph Eugen Biser wird 95

Dialog aus christlichem Ursprung

Helmut Kohl nannte ihn einen «Pastor für alle Lebenslagen». Fest steht: Eugen Biser ist eine einzigartige Persönlichkeit der deutschsprachigen Theologie. Sein 95. Geburtstag begeht  der Münchner Theologe in aller Stille.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Als der Religionsphilosoph 2008 seinen 90. Geburtstag feierte, machte ihm nicht nur der damals schon gesundheitlich schwer angeschlagene Altbundeskanzler seine Aufwartung. Weitere hochrangige Unionspolitiker, Universitätspräsidenten und ein Bundesverfassungsrichter gratulierten dem kleinen Mann mit der leisen Stimme und dem großen Ohr.

Am Sonntag vollendet Biser sein 95. Lebensjahr - in aller Stille. Seit einiger Zeit kommt er daheim kaum noch aus dem Bett und ist nur noch für wenige Freunde zu sprechen. Ein Leben auf der Zielgeraden. Bisers Vermächtnis ordnet nun schon seit zehn Jahren eine von ihm gegründete Stiftung. Der Stiftungsratsvorsitzende Richard Heinzmann (79) freut sich, seinem geistigen Ziehvater noch ein besonderes Geburtstagsgeschenk machen zu können: Zu seinem Ehrentag kommt eine Bibliografie mit 1.400 Titeln heraus, die zwischen 1950 und 2012 erschienen sind. Frucht einer reichen, auch thematisch breitgefächerten Publizistik, darunter allein fünf Jesus-Bücher, aber auch Kluges über den zeitgenössischen Komponisten John Cage.

Biser ist eine einzigartige Persönlichkeit der deutschsprachigen Theologie. Einen Schülerkreis im engeren Sinn brachte er nicht hervor. Theologen konnten bei ihm nicht promovieren, weil sein Romano-Guardini-Lehrstuhl in München der Philosophischen Fakultät zugeordnet war. Dennoch erzielte er mit seinen mehr als 100 Büchern und nicht zuletzt als charismatischer Prediger und Vortragsredner eine Breitenwirkung wie nur wenige andere Vertreter seines Fachs. Manche sehen ihn daher auf einer Stufe mit Größen wie Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger.

Schwer verwundet im Krieg

Der aus einem badischen Dorf im Kaiserstuhl stammende junge Priester wollte nichts weniger als eine "neue Theologie" begründen. Glaube war für ihn in erster Linie eine existenzielle Erfahrung und nicht ein abstraktes System dogmatischer oder moralischer Lehrsätze. Biser warb für das Christentum als primär therapeutische Religion. Jesus galt ihm als "größter Revolutionär der Religionsgeschichte". Denn er habe alles Angst- und Schreckenerregende aus dem Gottesbild der Menschheit getilgt und dafür das Antlitz des bedingungslos liebenden Vaters enthüllt.

Diese zentrale Erkenntnis gewann Biser nicht am Schreibtisch. Als Theologiestudent im Fronteinsatz brachte er sich beim Russlandfeldzug durch eine unbedachte Bemerkung über Adolf Hitler in Schwierigkeiten. Ein Kriegsgericht verurteilte ihn zu einem Himmelfahrtskommando, das die meisten seiner Einheit nicht überlebten. Er selbst kehrte aus der Schlacht um Stalingrad schwer verwundet heim.

Nie in Konflikt mit der Obrigkeit

Den christlichen Glauben als wirksames Heilmittel gegen jedwede Lebensangst suchte er seither bei jeder Gelegenheit zu vermitteln, und das an Jung und Alt. Als Biser 1986 emeritiert wurde, begründete er das Münchner Seniorenstudium, viele andere Unis folgten. Wenn er mit seiner Vespa zur Vorlesung fuhr, wartete stets ein voller Hörsaal auf ihn.

So mancher Gedanke Bisers hätte das Zeug dazu, Sprengkraft zu entfalten. Dass er anders als ein Hans Küng nie in Konflikt geriet mit der kirchlichen Obrigkeit, hat wohl auch etwas mit seinem zurückhaltenden Auftreten zu tun. Angriff war seine Sache nicht. "Ich will von innen heraus die Mauern aufbrechen", so verstand er seine Rolle.

"Dialog aus christlichem Ursprung", lautet das Motto der Eugen-Biser-Stiftung. Wobei hier das Wort Dialog alles andere meint als unverbindliches Geplauder. Ein konkretes Ergebnis eines manchmal auch sehr schwierigen Gesprächs soll ebenfalls im nächsten Jahr publik werden: ein mehrsprachiges christlich-islamisches Wörterbuch, verfasst von deutschen und türkischen Theologen.


Quelle:
KNA